Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Schirrmachers - und nicht nur seine - Inkonsistenz

Garfield, Monday, 08.05.2006, 19:16 (vor 6565 Tagen) @ scipio africanus

Als Antwort auf: Re: Schirrmachers - und nicht nur seine - Inkonsistenz von scipio africanus am 08. Mai 2006 11:39:

Hallo Scipio!

"Dieses Szenario ist ziemlich pessimistisch. Ich denke, dass die Arbeitslosigkeit tendenziell abnehmen wird, wenn immer mehr geburtenstarke Jahrgänge ins Pensionsalter kommen. So hoffe ich doch, denn sonst siehts wirklich zappenduster aus."

Na ja, aber wie schon geschrieben, werden diese Rentner-Generationen ja bei weitem nicht mehr die Renten bekommen, die viele heutige Rentner noch kriegen. Deshalb werden Rentner zunehmend weiter arbeiten müssen, zumindest auf Teilzeit und notfalls auch schwarz. Die werden Jobs besetzen, die dann für Jüngere nicht mehr zur Verfügung stehen. Ob das durch die Abnahme der Zahl der Jüngeren ausgeglichen werden wird, ist schwer abschätzbar.

Auch zusätzliche private Rentenversicherung löst dieses Problem nicht. Erstens wird vielen Menschen ja gar nicht genügend Geld gelassen, um noch größere Summen für eine Privatrente aufzubringen, zweitens werden heute vielen Menschen Privatrenten oder ähnliche Vorsorge-Formen über Hartz IV weggenommen und drittens wird in 30 Jahren private Rentenversicherung kein Bomben-Geschäft mehr sein. Heute haben wir die Situation, daß es relativ wenige Privatrenten-Empfänger, aber durch die zunehmende Rentenlücke relativ viele Einzahler gibt. So verdienen die Versicherungen daran prima und können den heutigen Privatrentnern hohe Renten auszahlen, deren Höhe dann wiederum für Werbezwecke verwendet wird. Es heißt dann üblicherweise, daß man vertraglich zwar nur 100 Euro Rente im Monat zugesichert hat, aber man würde tatsächlich mehr ausgezahlt bekommen, z.B. wie die aktuellen Renter 135,67 Euro... Also glauben viele Menschen, daß sie dann 135,67 Euro oder gar noch mehr kriegen. In 30 Jahren wird die Situation aber komplett umgedreht sein. Dann wird es viele Empfänger von Privatrenten geben und auf jeden Fall weniger Einzahler als heute. Womöglich sind wir dann soweit, daß sich kaum noch jemand eine Privatrente leisten kann, weil kaum noch jemand erwerbstätig ist... Dann werden die Versicherungen eben auch nur noch das auszahlen, was sie unbedingt müssen, zumal sie auch kein Interesse mehr daran haben werden, zwecks Werbung für neue Renteneinzahler den jetzigen Rentnern mehr auszuzahlen. Und sie werden natürlich auch mit allen Tricks arbeiten, um aus möglichst vielen dieser für sie dann unlukrativen Rentenversicherungs-Verträgen heraus zu kommen.

So wird vielen Rentnern dann nur noch ihre Arbeitskraft bleiben, um finanziell über die Runden zu kommen.

Dann muß man auch noch einbeziehen, daß die technologische Entwicklung ja weitergeht. Schon heute haben wir die Situation, daß gerade große Unternehmen auch bei guter Gewinnlage (teilweise sogar bei Rekordgewinnen) Personal abbauen - weil einfach immer weniger Personal benötigt wird. Wo früher viele Bankangestellte standen, stehen heute beispielsweise Automaten und nur noch wenige Angestellte. In Zukunft werden in Supermärkten auch zunehmend Automaten die Waren scannen und per Karte oder bar das Geld kassieren. Allein das wird wieder eine hohe Zahl von Erwerbslosen produzieren.

Viele Menschen glauben, die Erwerbslosigkeit wäre das Produkt einer Wirtschaftskrise. Die haben wir aber gar nicht! Die Exporte laufen gut wie nie, und mittlerweile laufen auch auf dem Binnenmarkt (vermutlich durch die für 2007 geplante Mehrwertsteuer-Erhöhung) die Geschäfte wieder besser. Trotzdem sinken die Erwerbslosenzahlen nicht wesentlich. Wenn jetzt noch eine wirkliche Wirtschaftskrise kommt (und die kommt früher oder später), dann wird es ganz übel...

Angesichts dessen sehe ich keinen Grund zum Optimismus.

"Wenn die Lebenserwartung zu sinken beginnt, dann wäre das der Beweis, dass das gesamte Modell "Sozialstaat" aufgrund der Überalterung gescheitert wäre."

Nicht durch die Überalterung, sondern durch die Abnahme der Erwerbsmöglichkeiten. Denn auch das Gesundheitswesen für die Pflichtversicherten wird effektiv nur durch legal arbeitende Erwerbstätige finanziert.

"Also, wenn ich das notwendige Kapital hätte, dann würde ich Alterssiedlungen bauen, und zwar in Ländern, in denen die Lohnkosten massiv tiefer sind als hier."

Dann solltest du aber Länder auswählen, bei denen du sicher sein kannst, daß die Lohn- und Lebenshaltungskosten in den nächsten Jahrzehnten nicht deutlich ansteigen! Oder vielleicht solltest du sogar solche Siedlungen hier in Deutschland in Erwägung ziehen, denn hier sinken zumindest die Einkommen... Dummerweise aber auch die der Rentner und ihrer nahen Verwandten...

"So langsam muss schon was passieren, das ist richtig. Ob wir noch die Kurve kriegen?"

Das Problem besteht darin, daß es offenbar noch vielen Deutschen zu gut geht. Wenn das mal nicht mehr so ist und sich endlich eine ausreichende Zahl zum Handeln aufrafft und vor allem auch die richtige Richtung erkennt, dann könnte es zu spät sein.

Freundliche Grüße
von Garfield


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