Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Schirrmachers - und nicht nur seine - Inkonsistenz

Garfield, Tuesday, 09.05.2006, 20:52 (vor 6564 Tagen) @ Nikos

Als Antwort auf: Re: Schirrmachers - und nicht nur seine - Inkonsistenz von Nikos am 09. Mai 2006 15:23:

Hallo Nikos!

"Wenn das Geld nicht reicht, dann sollten wir eben die restlichen Ansprüche zurückschrauben. Also, kein eigenes Haus, kein Auto, keine Reisen."

Das ist leichter gesagt als getan, vor allem in Deutschland... Keine Reisen ist ja noch realisierbar. Meine Frau und ich fahren, seit wir unser Haus abzahlen, auch nur noch an die Ostsee zu meinen Eltern. Auch ohne Kinder können wir uns eine längere Auslandsreise finanziell nicht mehr leisten, obwohl wir beide nicht direkt schlecht verdienen.

Kein Auto ist aber schonmal schwierig. Das kann man sich leisten, wenn man in einer Großstadt wohnt und dort auch arbeitet und einkaufen kann. Sonst wird das aber schwierig. In Bewerbungsgesprächen wird man in Deutschland auch oft nach Auto und Führerschein gefragt. Hat man kein Auto, ist das ein Minuspunkt, denn damit signalisiert man, daß man von öffentlichen Verkehrsmitteln abhängig ist und nicht jederzeit flexibel Überstunden schieben kann. Wenn man auf dem Land wohnt, braucht man ein Auto auch zum Einkaufen. Selbst wenn es öffentliche Verkehrsmittel gibt: Mir soll mal jemand zeigen, wie man 4 volle Getränkekästen und 3 volle Einkaufstaschen mit Bus oder Bahn transportieren kann...

Viele Menschen können also am Auto nicht sparen. Okay - es gibt auch billige gebrauchte Kleinwagen für ein paar hundert Euro zu kaufen. Da hat man dann nur leider jedes Jahr ein paar Hunderter für Reparaturen abzuzweigen oder muß sich nach dem nächsten TÜV ein neues Auto kaufen. Und weil ältere Autos nicht den neuesten oder vielleicht gar keinen Katalysator haben, zahlt man auch noch ordentlich Steuern dafür. Man kann sich natürlich auch einen neuen Kleinwagen kaufen - aber selbst den können viele Menschen jetzt nicht mehr locker-flockig am Stück bezahlen, sondern müssen ihn auf Raten kaufen. Schon zahlt man monatlich mindestens 100-200 Euro. Wie man es auch dreht und wendet - ein Auto ist immer teuer.

Ohne eigenes Haus kann man natürlich leben. Man muß aber nun einmal irgendwo wohnen. Es gab auch mal jemanden, der sich irgendwo im Wald ein Erdloch gegraben hat. Das ist aber illegal. In den USA kann man sich irgendwo ein billiges Grundstück kaufen, einen Wohnwagen draufstellen und drin wohnen. In Deutschland gibt es keine billigen Grundstücke, und welche Vorschriften man in Deutschland beim Leben in einem Wohnwagen beachten muß, will ich gar nicht wissen...

Man kann natürlich auch zur Miete wohnen. Es gibt mittlerweile auch billige Mietswohnungen. Da wohnt man dann aber zuweilen mit asozialen Pennern im Haus, die einem die Türen eintreten und ins Treppenhaus pinkeln, findet sein Auto jeden Morgen aufgebrochen vor und wird ab und zu mal im Dunkeln von hinten bewußtlos geschlagen und ausgeraubt. Wenn man in einer sicheren Gegend wohnen möchte, dann muß man nach wie vor saftige Mieten zahlen, die auch immer noch fröhlich weiter steigen. Da zahlt man soviel wie manch anderer für einen Hauskredit - nur mit dem Unterschied, daß man im Alter kein Wohneigentum hat, sondern dann immer noch Miete zahlen muß - aber nur leider mit der dann fälligen Hungerrente kein Geld dafür hat.

Man kann sich natürlich auch ein billiges, kleines Haus kaufen, und man braucht ja eigentlich nicht immer die neueste und beste Ausstattung. Man hat ja eigentlich keinen Grund, beispielsweise den Abfluß teuer sanieren zu lassen - schade nur, daß man gesetzlich dazu gezwungen ist, bis 2015 den Abfluß auf Dichtheit prüfen und eventuell sanieren zu lassen. Man braucht auch nicht unbedingt die neueste Heizung - schade nur, daß eine alte Heizung viel Öl oder Gas verbraucht, das leider immer teurer wird. Man kann natürlich auch mit Holz heizen. Gute Öfen sind nur leider auch nicht billig, und auch Holz wird immer teurer. Es gibt auch Erdwärme-Heizungen - die kosten nur leider eine fünfstellige Summe. Und wenn man eine sehr alte Heizung hat, dann ist man gesetzlich gezwungen, die zu erneuern - oder aber ein Bußgeld zu zahlen. In Hessen muß mittlerweile schon jeder Öltank ab 1000 Liter regelmäßig von einem Gutachter inspiziert werden. Der macht dann den Deckel auf, sieht hinein, macht den Deckel wieder zu, geht und schickt danach eine Rechnung über 160 Euro.

Angesichts dieser Kosten will so mancher sein Haus vielleicht wieder verkaufen. Dazu braucht man neuerdings leider erstmal einen "Energiepaß". Der kostet ab so etwa 300 Euro, und da schreibt ein Gutachter rein, was jeder potenzielle Hauskäufer ohnehin sieht bzw. leicht abschätzen kann. Und wenn man dann wieder zur Miete wohnt, entgeht man all diesen Kosten auch nicht. Denn leider ist auch der Vermieter Hausbesitzer, muß den Unsinn also auch bezahlen und gibt die Kosten an die Mieter weiter.

Dummerweise ist ein eigenes Haus aber die beste Altersvorsorge. Nicht etwa wegen irgendwelchen Wertsteigerungen. Die Immobilienpreise werden in vielen Gegenden in Zukunft sinken, denke ich. Aber ein eigenes Haus erspart im Alter die Miete, die auch zukünftig noch ein wesentlicher Kostenfaktor sein wird. Auf die staatliche Rente kann man sich nicht verlassen - die wird in 30 Jahren bestenfalls noch Sozialhilfeniveau haben. Private Rente ist auch keine Lösung, denn weil in 30 Jahren Privatrenten kein gutes Geschäft mehr sein werden, werden die Versicherungen nur noch soviel auszahlen, wie sie gerade mal müssen und sich sogar davor noch nach Möglichkeit drücken.

Tja, so ist es also in Deutschland schwierig, sich die Kosten für Haus und Auto zu sparen. Meine Frau und ich haben sogar zwei Autos. Nicht etwa, weil wir das so toll finden, sondern weil wir die brauchen. Wir kommen beide in akzeptabler Zeit nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit, und unsere Arbeitsstellen liegen praktisch entgegengesetzt. Wenn meine Frau mich zur Arbeit fahren müßte, dann würde das durch die hohen Benzinpreise teurer werden als die Kosten für ein zweites Auto. Wenn ich sie zur Arbeit fahren würde, wäre das noch teurer.

"Das ist insofern nicht gerecht, als daß unsere Eltern uns zur Welt brachten, und zwar unter weit schwierigeren Bedingungen als heute."

Wirklich? Mein Schwiegervater begann schon mit 14 eine Lehre und gab dann Geld zu Hause ab. Bei meinem Vater war das ähnlich, und auch meine Mutter arbeitete schon mit 14 auf einer LPG. Und vorher, in der Schulzeit, brauchten die Kinder nicht viel. Sie waren froh, wenn sie genug zum Anziehen und zum Essen hatten.

Wie ist das aber heute? Die Kinder sind mindestens bis 15/16 in der Schule, oft bis 18/19. Wenn sie studieren, wohnen sie oft mit Mitte 20 noch bei den Eltern. Aber fangen wir mal im Kindergarten an: Wenn das Kind dort beliebt ist und viele Freunde hat, kommen die alle zum Geburtstag. Dafür muß man schon mal jede Menge Torte, Eis und andere Süßigkeiten finanzieren und/oder mit der ganzen Truppe zu MacDonalds gehen. Das Kind wird dann auch alle paar Wochen zu einem Geburtstag eingeladen - dann muß es jedesmal ein Geschenk mitnehmen, das natürlich auch nicht zu billig sein soll, schließlich will man sich und das Kind ja nicht blamieren. Die Ansprüche der Kinder steigen dann aber weiter an. Irgendwelche Klamotten reichen bald nicht mehr - es müssen teure Markensachen sein. Wichtig ist auch überteuertes Markenspielzeug. Bei Verwandten meiner Frau hat die Oma mal den Fehler gemacht, statt der gewünschten Barbie-Puppe eine billigere Puppe zu schenken - daraufhin wurde sie von ihrer Enkeltochter als Arschloch beschimpft. Spielekonsolen, Computer, Mobiltelefone, MP3-Spieler und Fernseher müssen her, und vieles davon generiert weitere Kosten für Spiele und sonstige Software, Internet, Telefongespräche, SMS, Klingeltöne, Hintergrundbilder... Die Eltern sind zum Wohle der deutschen Unternehmen sogar dazu verpflichtet, ihren Kindern Taschengeld zu zahlen, um ihnen einen Teil der gewünschten Kaufkraft zu sichern.

In Zukunft kommen noch Kosten für teure Privatschulen dazu, weil das Niveau vieler öffentlicher Schulen weiter sinken wird.

Das alles mußten Eltern früher nicht finanzieren. Angesichts stagnierender oder sinkender Einkommen ist all dieser Luxus heute immer schwerer finanzierbar.

"Freiwillig Kinderlose leben, für mich, auf fremde Kosten. Nicht im reine finanzielle Hinsicht, sondern generell: Sie haben etwas bekommen, und geben dafür nichts vergleichbares zurück!"

Sie haben etwas von ihren Eltern bekommen, nämlich ihr Leben. Und nicht wenige geben ihren Eltern durchaus etwas zurück, z.B. über Pflege im Alter. Das ist völlig unabhängig davon, ob man Kinder hat oder nicht.

"Sie haben das Leben geschenkt bekommen, und was (vergleichbares) verschenken sie?"

Glaubst du, daß allen Kinderlosen das Leben ohne Kinder so leicht fällt? Viele Menschen wünschen sich schon rein instinktiv Kinder. Und es ist kein schönes Gefühl, zu wissen, daß nach einem niemand mehr kommt, daß alle Familienfotos und alles Wissen über die Familiengeschichte dann niemanden mehr interessiert und in den Müll wandert. Daß man nichts weitergeben kann.

Freundliche Grüße
von Garfield


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