Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Fahrenheit 68

susu, Saturday, 16.09.2006, 03:01 (vor 6493 Tagen) @ Scipio Africanus

Privat leitet sich vom lateinischen "privatus" ( einer einzelnen Person
gehörend ) ab, im Gegensatz zur öffentlichen Angelegenheit, der "Res
publica".
Indem propagiert wird, das Private sei politisch ( polis; die
Gemeinschaft,politika; öffentliche Geschäfte ) wird es zur öffentlichen
Angelegenheit, zum öffentlichen Geschäft.

Die Frage ist, in welche Richtung den Vergleich ließt. Auf diesem Forum finde ich z.B. einen Beitrag der den Titel "Abtreibung ist Mord" hat. Das soll heißen: "jemand der abtreibt mordet damit". Soll wohl nicht heißen: "Jemand der Mordet treibt damit ab". Du interpretierst den Satz als eine Aufforderung das private durch die institutionalisierte (!) Politik gestalen zu lassen. Das läßt sich im Kontext der Zeit nicht nachvollziehen, schließlich wurde der Slogan von Leuten geprägt, die sich gegen Gesetze stemmten, die in die Privatsspähre eingriffen (der §180 stellte es unter Strafe, wenn Eltern es tolerierten, daß ihre Kinder, wenn sie noch nicht 18 waren Sex hatten, der §182 Verbot jegliche Schriften, die Schilderungen geschlechtlicher Vorgänge beinhalteten, der §175 verbot konsensuellen Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern, etc. pp.). Der Teil des Strafrechts, der heute mit dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung befasst ist, war voll von "Verbrechen ohne Opfer", d.h. strafbaren Handlungen, die niemandem Schaden zufügten. Dieser Sachverhalt wurde abgelehnt und allein deshalb halte ich deine Lesart für nicht passend. Im Gegenzug halte ich die umgekehrte lesart für passend, politische Veränderungen beruhen auf Veränderungen im Privaten. De fakto muß sich die institutionalisierte Politik den Entscheidungen, die Individuen treffen anpassen. Anders gesagt: Nicht die Gemeinschaft hat über den Einzelnen zu bestimmen, sondern die Einzelnen bilden die Gemeinschaft. Um diese Prinzip mal hier am Forum aufzuhängen: Ob es Odin oder Michael sind, die an Private Erfahrungen politische Forderungen knüpfen, es ist ein Prinzip aus den Individuellen Erfahrungen heraus in Opposition zur aktuellen Rechtlage zu stehen. Und ich würde diverse Personen hier nennen, die schlicht und ergreifend dadurch das sie nicht mainstreamkompatible Lebensentwürfe haben (Ekki z.B.) wirken.

Inwieweit dieser Ansatz, das Private zu einer öffentlichen Angelegenheit
zu machen, konkret Auswirkungen zeitigt, sei mal dahingestellt. Es ist
aber sehr deutlich erkennbar, dass Bestrebungen vorhanden sind, die
Kontrolle über bis anhin private Bereiche zu erlangen.

Das sehe ich auch so, nur das ich diese Bestrebungen nicht an einem Slogan festmachen kann, der sich genau gegen solche Bestrebungen richtete. Und wenn ich mir angucke, wer hier in diesem Forum für eine stärkere Reglementierung des Privatlebens eintritt, dann fällt mir zuallererst uns Klaus ein, der ja nun beileibe kein Alt-68er ist.

"Das Private ist politisch" heisst in letzter Konsequenz, dass es keine
privaten Bereiche geben soll. Ein totalitärer Ansatz, der glücklicherweise
nicht verwirklicht wurde, da es immer noch vernünftige Menschen gibt,
welche hier gegensteuern. :)

Nein. In letzter Konsequenz heist es, daß es keinen öffentlichen Bereich mehr geben soll. Siehe auch Anarchie. Eine funktionierende Anarchie ist zwar reine Utopie, weil Menschen nun mal bescheuert sind und die 68er waren in dieser Hinsicht kurzsichig (Deshalb gab es später Punk), aber wenn du tatsächlich glaubst, es sei um einen autoritären Zugriff auf die Persönlichkeitsrechte gegangen, dann empfehle ich dir dich noch mal eingehend damit zu beschäftigen, oder dir mal eine Platte der Band zu besorgen, die Claudia Roth als Roadie hatte. "Keine Macht für Niemand".

susu


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