Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Evolutions-Beweise:

susu, Saturday, 28.10.2006, 06:05 (vor 6545 Tagen) @ Nihilator

Huhu Nihi, ich fange mal mit deinem anderen Posting an:
Artbildung wurde tatsächlich beobachtet und zwar von Richard Lewontin, der bei einer Laborpopulation von Drosophila melanogaster eine Speziation feststellte. Dazu noch kopatrisch, was der ganzen Sache noch ein Sahnehäubchen aufsetzt. Im Schnitt bildeten sich in der Erdgeschichte jährlich maximal 80 Arten. Anders gesagt: Wenn jede Art von einem Evolutionsbiologen beobachtet würde, dann hätte davon jeder 24 Millionenste das Glück eine Artbildung zu beobachten. Das ist halb so wahrscheinlich, wie ein 6er im Lotto (die Kopatrische Artbildung ist deutlich seltener als die Allopatrische, Lewontin hatte in etwa so viel Glück, wie jemand der zweimal in Folge 6 Richtige hat).
Besser belegt sind Artbildungen im Fossilbericht. Die Schnecken des Steinheimer Beckens in Süddeutschland waren lange das beste Beispiel, heute gibt es noch bessere in verschiedenen Mikrofossilgruppen, z.B. den Foraminiferen aber auch bei den Coccolithopheriden (die kennt keine Sau mit Namen, aber jeder hat schon mal Coccolithopheridenfossilien in der Hand gehabt: Schreibkreide besteht fast zu 100% aus ihnen und wenn man bedenkt das sie jählich vieleicht eine Schicht von 0,5mm bilden und sich dann die Kreidefelsen von Rügen ansieht, dann kann man sich vorstellen, welche langfristigen Prozesse erkennbar werden, wenn man sie unter dem Mikroskop betrachtet, Schicht für Schicht).

Du schriebst weiterhin: "Denke Dich in einen Schöpfungsgläubigen hinein und gehe die Liste Punkt für Punkt durch. Es wird Dir nicht schwer fallen, sie im Einklang mit kreationistischen Vorstellungen zu erklären."

Ich denke, daß das nicht der Punkt ist. Natürlich kann man mit Gott alles erklären, oder auch mit dem Spagettimonster, oder... Nur eben: Nicht intersubjektiv. Das Problem ist nicht das jemand an eine Schöpfung glaubt, das Problem ist, das jemand der Meinung ist, dieser Glaube sei in irgendeiner Form wissenschaftlich ("Creation science", "intelligent design") und solle im Biologieuntericht gelehrt werden (in Deutschland wäre da das Scherer-Buch zu nennen).

Warum ist es aber dann der Natur in unbegrenzter Zeit und bei unbegrenzter
Vielzahl an Versuchen offenbar nur EIN EINZIGES Mal gelungen, Leben an sich
zu schaffen?
Muß ja nicht so sein, sage ich Evolutionist. Vielleicht gab es ja mehrere
Lösungen, von denen die schlechteren verdrängt wurden? Vielleicht läßt die
Existenz von Leben gar nicht die Entstehung anderen Lebens mehr zu
(Stichwort Nische)? Vielleicht ist es auch ein Naturgesetz, daß Leben nur
so und nicht anders funktionieren kann?
Ja, da bin ich auch verzweifelt am Raten, denn dafür habe ich keine
Erklärung. Je weiter in der Evolution Du zurückgehst, desto schwerer wird
es, alles rein wissenschaftlich zu erklären.

http://www.pnas.org/cgi/reprint/80/10/2981.pdf
Vermutlich gab es mehrere Lösungen, von denen nur noch eine Existiert, ohne das das ein "schlechter" oder "besser" implizieren würde.

Es ist zwar schon gelungen, in einer Ursuppe den Übergang von
anorganischer zu organischer Materie nachzuvollziehen, aber nicht den von
organischer zu belebter Materie. Was Leben eigentlich ist, wissen (besser:
begreifen) wir nicht. Wir definieren es notgedrungen nach seinen
Äußerungsformen (Stoffwechsel, Fortpflanzung).

Wir definieren Leben gar nicht mehr. Der Übergang zwischen komplexen Systemen in der Organischen Chemie und Leben ist fließend, so das da keine strikte Grenze gezogen werden kann.

Ich hatte da auch schon lustige Diskussionen. Ein Bekannter, der mich zu
bekehren versuchte, fragte mich, ob in der Natur Ordnung aus sich heraus
entstehen könne. Er brachte das Beispiel eines gut gepflegten Gartens, den
man sich selbst überließe. Was entstünde da, Chaos oder Ordnung?
Natürlich erwartete er als Antwort Chaos, aber den Gefallen tat ich ihm
nicht. Ich sagte Ordnung, denn ein solcher Garten wird mit der Zeit ein
funktionierendes Ökosystem ausbilden und sich wahrscheinlich der Umgebung
anpassen. In dem Moment hatte ich gewonnen.

Ah. Dein Bekannter argumentierte, wenn auch nicht ganz so spezifisch gesagt, mit dem 2. hauptsatz der Thermodynamik. Der besgt, daß in einem abgeschlossenen System die Unordnung mit der Zeit zunimmt. Das klassische Argument dagegen lautet: Die Erde ist kein geschlossenes System (Sonneneinstrahlung). Meiner Meinung nach besser: Wenn sich aus einer Zelle ein ganzer Organismus entwickelt, mit spezialisierten Geweben und Organen, dann nimmt die Ordnung ebenfalls zu. Das Argument zeigt also nicht nur, das Evolution nicht stimmt (wenn man dem den folgt), sondern das Leben nicht existieren kann.

Aber nach meinen eigenen Überlegungen (die ich für mich behielt *g*)
nicht, denn:
Diese Ordnung ist die Ordnung der belebten Natur. Und wenn Leben göttliche
Kraft hieße, dann hätte er ja recht, daß nur Gott ordnet. Das, was er aber
als Gott bezeichnet, ist für mich eher Naturgesetz oder so ähnlich.
Was ist letztlich unsere Differenz? Ein Name.

Hey, Pantheismus. Ich verweise da auf Baruch Spinoza, der genau das schon 1670 in seinem "Tractatus theologico-politicus" zum Ausdruck brachte (einer meiner älteren Lieblingsphilosophen, nicht das ich nur Franzosen des 20. Jahrhunderts mögen würde *g*). Ich gebe jedoch zu bedenken, daß die Reaktion auf sein Werk, das immerhin den einzigen logisch schlüssigen Gottesbeweis enthält, nicht gerade positiv war. Man nannte ihn einen Atheisten und verbannte ihn aus der jüdischen Gemeinde von Amsterdam. Was ein guter Hinweis auf die Ironie der Geschichte wäre, immerhin beschäftigt sich der Text neben den epistemologischen und metaphysischen Gesichtspunkten mit einer Ethik der religiösen Toleranz - und gerade da entschließt sich eine religiöse Minderheit, die politisch unterdrückt wird, sich an der katholischen Kirche, die, im Gegensatz zum Judentum die Exkommunikation kennt, ein Beispiel zu nehmen. Die katholische Kirche hingegen schafft es 1674 das Buch verbieten zu lassen. Merke: Pantheismus ist für die "wahren" Gläubigen immer schon Atheismus.

susu


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