Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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@Magnus - Interessanter Aspekt aus dritter Hand

Ekki, Thursday, 16.12.2004, 21:53 (vor 7450 Tagen) @ Magnus

Als Antwort auf: Hast Recht! von Magnus am 16. Dezember 2004 11:28:24:

Hallo Magnus!

Abgesehen davon halte ich Europa für eine christliches kulturelles Abendland, in dem zwar nun Religionsfreiheit herrscht, trotzdem orientiert man sich an der christliche Leitkultur - immer noch, daran hat sich trotz Dönerbuden nichts geändert!

In einer Diskussion zu diesem Thema mit einem Ex-Kommilitonen, der in der CDU ist, habe ich hierzu folgendes, für mich frappierendes Argument gehört:

"Die Entfremdung zwischen den in Deutschland lebenden Türken und der einheimischen deutschen Bevölkerung lief parallel zur Säkularisierung in Deutschland. Solange das Christentum noch prägende Kraft hatte, konnten sich Türken und Deutsche - bei aller Gegensätzlichkeit - noch eher gegenseitig respektieren als heute, wo die Mehrheit der Deutschen bewußt oder unbewußt wirklich ungläubig ist."[/i]

Ich mag dieser Argumentation zwar nicht ganz folgen, aber ein Stück Wahrheit ist m.E. daran.

Nebenbei gefragt:

Was ist "christliche Leitkultur"?

Interessant hierzu die Ausführungen in einem heutigen SPIEGEL-ONLINE-Artikel zum Thema "Papst und Volksfrömmigkeit in Polen" (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,druck-325249,00.html). Dort heißt es u.a.:

<hr>

Nur neun Prozent aller Polen ignorieren die Kirche gänzlich. Fast 60 Prozent geben an, mindestens einmal pro Woche zur Messe zu gehen. Doch für die meisten reduziert sich Katholizismus auf ein Gefühl. Die Krakauer Religionssoziologin Irena Borowik sagt, die große Mehrzahl der praktizierenden Katholiken pflege eine Lebensart, ohne die Glaubensinhalte zu kennen oder zu teilen.

...

Große Theologen, die über die Natur Gottes spekulieren, hat das Land nicht hervorgebracht, dafür viele Fromme, die zur Eucharistiefeier gehen, wallfahren und viel beten. Ein Witz charakterisiert die Fülle polnischer Geistlichkeit und den Mangel an allgemeiner Geistigkeit: Nach den Personen der Trinität gefragt, antworte der durchschnittliche Pole, diese setze sich zusammen aus Maria, Josef und dem Papst.

...

Trotz seiner Omnipräsenz durch Bildnisse aller Art an nahezu allen kirchlichen Orten, greift die Säkularisierung auch in Polen um sich. Das Charisma des Heiligen Vaters bezaubert zwar viele Gläubige, doch der Glorifizierung seiner Person folgt keineswegs die Befolgung seiner Lehre. Selbst unter den Geistlichen lässt die Gefolgschaft zu wünschen übrig.

Nicht nur den nationalistischen und bisweilen antisemitischen Machern des populären Frommen-Senders "Radio Maryja", sondern auch weiten Teilen des Klerus ist der Papst zu liberal, sagt Professorin Borowik. Viele Priester akzeptierten etwa seine Versöhnungsgesten zum Judentum und Islam hin nicht.

Dem Durchschnittspolen jedoch ist er - wie vielen Westeuropäern - zu konservativ. Die meisten befolgen seine Soziallehre nicht, die Scheidungen, künstliche Geburtenkontrolle und Abtreibung verbietet. Jeder Dritte gibt gar an, die päpstliche Lehre nicht zu kennen - das ist keineswegs verwunderlich in einem Land, in dem Kinder christliche Choräle mitsummen, bevor sie sprechen können.

<hr>

Ich selbst habe hier in Polen[/i], nachdem ich mich im Deutschland von Religion und Kirche schon fast ganz gelöst hatte, gelernt, daß Religion durchaus etwas Wärmendes, Geborgenheit spendendes haben kann, und zwar dort, wo eine liebevolle Pflege religiösen Brauchtums einhergeht mit einer barmherzigen Einstellung zum Mitmenschen.[/i]

Das hindert mich nicht, gleichzeitig der Ansicht zu sein, daß der SPIEGEL Recht hatte, als er schrieb, die Moslems wüßten genau, daß weitgehende religiöse Toleranz dem Islam ebenso den Todesstoß versetzen würde wie dem Christentum.[/i][/u]

Das Brauchtum und die erwähnte barmherzige Einstellung zum Mitmenschen sind - machen wir uns nichts vor - nur noch eine leere Hülle. Das reicht aber auch vollkommen aus - denn wenn die Menschen anfangen, sämtliche religiösen Mythen und Dogmen beim Wort zu nehmen und penibel zu befolgen, ist der Weg zu religiösem Fanatismus nicht mehr weit.

Um auch die Gegenseite zu beleuchten:

In den westlichen Gesellschaften ist m.E. auch deshalb (vielleicht sogar: ausschließlich deshalb) ein so verheerendes Um-Sich-Greifen des Häßlichen, Kaltherzigen und Gemeinen, ein so totaler Verlust des Gefühls dafür, was Anmut, Charme und innere Zuwendung sind (bitter lebensnotwendige Dinge, die sich jeder rationalen Definition entziehen!), zu beobachten, weil diese Dinge nicht mehr durch die Schönheit religiöser Kulte mit der Muttermilch eingesogen werden.[/i]

Und was können wir daraus für unser Verhältnis zum Islam[/i] schlußfolgern?

Der Islam muß seine eigene Aufklärung durchmachen, eine Entwicklung, die ihm seine Traditionen (Folklore) läßt, aber seine Dogmen zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. In dieser Form wäre der Islam dann auch in die europäische Gesellschaft mühelos integrierbar.[/i]

Eine solche Entwicklung muß jedoch nicht nur[/i] von liberal gesinnten Moslems angestrebt, sondern auch[/i] von ihrem europäischen Umfeld gezielt gefördert werden.

Und auf diesem Weg ist das linke Gutmenschentum eines der größten Hindernisse.[/i]

Würde die von mir skizzierte Entwicklung Wirklichkeit, dann wäre auch eine EU-Mitgliedschaft der Türkei nichts Bedrohliches mehr.

Diese Entwicklung wird jedoch, sofern sie überhaupt in Gang kommt, viele Jahrzehnte[/i] brauchen (wie mühsam mußte sich die Säkularisierung in Europa durchsetzen?!).

Und sie ist um so unwahrscheinlicher[/i], als selbst die "liberalsten" Moslems nur selten[/i] die von ihrer Religion geforderte Einheit von Religion und Staat in Frage stellen - und wenn sie es tun, ihr Leben riskieren.[/i]

Aber erst, wenn diese Entwicklung abgeschlossen ist, kann von einer moslemisch-europäischen Integration die Rede sein.

Der umgekehrte Weg[/i] - die Türkei in die EU zu holen mit der reichlich treuherzigen Behauptung, wenn dieser Staat erstmal in der EU sei, könne man ihn "umerziehen" - ist selbstmörderisch[/b][/i].

Genau dieser Weg aber wird aller Voraussicht nach beschritten werden.

In der Diskussion zu diesem Thema wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, daß es ein kaum vorstellbarer Präzedenzfall wäre, daß die Beitrittsverhandlungen mit einem Land, einmal begonnen, nicht zum Erfolg führen.

Na denn - viel Spaß, gutes "altes Europa"!

Gruß

Ekki


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