Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Weltanschauungen, die untergehen, mauern sich ein

Nick, Tuesday, 18.10.2005, 02:32 (vor 6968 Tagen) @ Nikos

Als Antwort auf: Re: Sind Totengräber immer Atheisten ? von Nikos am 17. Oktober 2005 21:00:

Guten Abend Nikos!

"Und schon sprichst Du mir etwas ab, was ich sehe. Richtiger wäre es, wenn Du sagen würdest "ich möchte meine Zeit nicht damit verschwenden, irgendwo Dinge zu sehen, die ICH nicht sehen kann". Das wäre aufrichtiger."

Richtig. Im übrigen dient es nun mal nie der Erkenntnis, ausschließlich diejenigen Dinge sehen zu wollen, die man bereits erkennen kann. Das ist nämlich überhaupt kein Kunststück, sondern langweilig und letztlich reaktionär. Wenn man das dogmatisiert, dann verkennt man zwangsläufig all die Dinge, die man noch nicht sieht. Nur wer also auch auf diejenigen Phänomene vorurteilsfrei achtet, die er noch nicht kennt, hat die Chance, eine tiefere Wahrheit einmal tatsächlich zu sehen. Der andere hat diese Chance nicht. So wird Nichtwissen zum Schutz einer Überzeugung - und damit zur Ideologie: ein untrügliches Zeichen für eine Weltanschauung, die im Abdanken begriffen ist. Der heutige Scientzismus, der sich - ganz zu Unrecht! - immer auf Galileo beruft, befindet sich jetzt in Wahrheit exakt in der Lage jener Inquisitoren, die sich angeblich weigerten, durch Galileos Fernrohr zu schauen, wo sie die Monde des Jupiters direkt gesehen hätten. Sehr lustige, das! :-)

Unsere heutige geistige Lage hat übrigens viele Ähnlichkeiten mit dem Niedergang der griechisch-römischen Götterwelt in der Spätantike angesichts des jungen Christentums. Ich sage voraus, daß sich etwas Analoges in der näheren Zukunft wiederholen wird. Der Materialismus hat nämlich keine Überlebenschance mehr, weil das, worauf er gründet und was er als primär gegeben ansieht, die Materie nämlich, überhaupt nicht existiert. Die Welt ist in ihrem Innersten undeterminiert, akausal, immateriell und entzieht sich prinzipiell unserer Verstehbarkeit - nicht etwa, weil wir "noch nicht so weit sind", sondern weil es aus Prinzip nicht geht. Das ist keine religiöse, sondern eine physikalische Aussage.

Wir wissen einfach nicht, was "Materie" ist, aber wir wissen inzwischen definitiv, daß wir es niemals wissen können (im naturwissenschaftlichen Sinn), ja, wir können uns nicht einmal ein vernünftiges Bild davon machen. Was Materie "wirklich ist", verschwindet für immer hinter der Heisenbeg'schen Unschärferelation, die u.a. eine absolute Grenze der Kausalität darstellt. Das, was für unsere Sinne "da ist", sind in Wahrheit völlig abstrakte, unanschauliche Zustände, die sich in unsere Welt auf einander ausschließende Weise projizieren, als "Teilchen" und als "Welle" nämlich, ohne eines davon - oder gar "beides zugleich" - zu sein, denn das erste ist keine eindeutige Bestimmung und das letztere ist eine Unmöglichkeit. Die Vorgänge in dieser Quantenwelt sind nicht kausal, wie es die heutige Weltanschauung immer noch für die Sttruktur der Welt unterstellt, sondern nur statistisch faßbar und unerklärlich. Wir haben in Wahrheit nur Bilder, von denen wir inzwischen wissen, daß sie falsch sind. Die Wirklichkeit selbst ist "wiedermal" völlig unbegreiflich. Viele wollen das nicht wahrhaben, aber das ändert natürlich an den Tatsachen genauso wenig, wie am Begräbnistermin der heutigen Wortführer.

Die Welt ist übrigens auch keinesfalls in der Welt "entstanden", sondern sie hat einen Beginn, der außerhalb dieser Welt liegt. Diese Ausssage ist wiederum Physik, nicht Glaube. Der "Urknall" liegt jenseits der Kausalität. Der Kosmos erscheint in seinem Beginn erstmals als sog. Planckwelt. Das ist die definitive Grenze der Kausalität. Diese Planckwelt ist indes nicht jener "Urknall" selbst, aus dem der Kosmos gekommen sein muß, sondern bereits Folge "von etwas". Was dieses "Etwas" ist, ist prinzipiell unbegreiflich. Das ist, wie gesagt, kein Glaube, sondern ein Beweis, weil er, wie gesagt, auf einer Falsifikation beruht.

Die Welt der "empirischen Beweisbarkeit, Wissenschaftlichkeit und Erklärbarkeit" ist also eine Illusion ohne Wirklichkeit. Unsere westliche Welt hat sich daran gewöhnt, etwas für wirklich zu halten, was es überhaupt garnicht gibt, und alle weiteren Schlüsse von dieser Fiktion abzuleiten. Die Wirklichkeit selbst aber kennt sie nicht mehr, weil ihr ausgerechnet die Bilder, die sie sich selbst von ihr geschaffen hat, den Blick auf sie verstellt haben. Solche ausgezehrten Weltanschauungen haben keine lange Überlebenszeit mehr. Das lehrt die Geschichte.

Ich habe mich früher schon gelegentlich dazu geäußert, z.B. hier: index.php?id=34058
Es gibt noch andere Postings, aber die suche ich jetzt nicht raus, weil ich keine Zeit dafür habe.

Herzlicher Gruß
vom Nick


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