Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Na also, warum nicht gleich so

Maesi @, Wednesday, 18.10.2006, 02:04 (vor 6473 Tagen) @ Rainer

Hallo Rainer

Bei realistischer Betrachtung gibt es bei uns überhaupt kaine Scheidung.
Nur eine (rechtlich abgesegnete) Trennung von Tisch und Bett.

Da hast Du natuerlich voellig Recht. Die buergerliche Zivilehe war in ihrem Kern nie etwas anderes als ein Unterhaltsrecht, das um einige 'Benefits' angereichert wurde, damit der wirtschaftliche Versorger (normalerweise der Mann) sozusagen 'gekoedert' werden konnte, die Ehe ueberhaupt einzugehen. Ziel der Ehe war die wirtschaftliche und rechtliche Absicherung der Familie; Ehe war also nichts anderes als die Verrechtlichung der Familiensituation, deshalb wurden Ehe und Familie als untrennbare Einheit betrachtet. Der unterhaltsrechtliche Kern der buergerlichen Ehe wurde im neuen Scheidungsrecht herausgeloest und von saemtlichen familialen Gegenleistungen (v.a. der familialen Loyalitaet) entkoppelt. So gesehen gibt es tatsaechlich gar keine richtige Scheidung. Wie lange eine solch asymmetrische Verteilung pseudo-ehelicher Pflichten sich in der Bevoelkerung wird halten koennen, wird die Zukunft weisen.

Die Alternative zur formellen Ehe, die formlose Partnerschaft, wird immer oefter ergriffen. Allerdings bemueht man sich staatlicherseits unter dem Etikett 'Gleichstellung' darum, die ehelichen Unterhaltspflichten in vollem Umfang auch auf nichteheliche Partnerschaften auszudehnen. Auch hier ist man offensichtlich bestrebt, erneut eine Einheit zwischen Familie und Partnerschaft zu schaffen, so wie es die Vaeter des alten buergerlichen Eherechts mit der Zivilehe schon taten; bloss wird die neue 'unterhaltsrechtliche Zwangspartnerschaft' nicht mehr als Ehe bezeichnet - ein simpler Etikettenschwindel. Da die staatlich sehr strikt verordnete und vollzogene asymmetrische Unterhaltspflicht sich am Vorhandensein von Kindern orientiert, ist der naechste logische Schritt der 'eheunwilligen' Buerger (v.a. auch der besonders davon betroffenen Maenner) der Verzicht auf Kinder. In dieser Umbruchphase befinden wir uns derzeit.

Wenn man sich mit einem Moslem über unser Recht unterhält, behauptet
dieser recht schnell das die christliche Religion mächtigen Einfluss auf
unsere Gesetze hat und eine Trennung von Kirche und Staat defakto nicht
existiert.

Natuerlich hatte die christliche Religion frueher erheblichen Einfluss auf die Gesetzgebung, indem sie die Gesetzgeber und die gesamte Bevoelkerung gepraegt hatte. Daraus eine fehlende Trennung von Kirche und Staat abzuleiten, ist allerdings abenteuerlich. Hier werden eine die Bevoelkerung praegende (christliche) Religion mit weltlicher Staatsmacht munter zusammengemischt. Trennung von Kirche und Staat bedeutet nichts anderes als getrennte organisatorische Strukturen von sowie getrennte Aufgabenzuteilungen an Kirche und Staat. Auch wenn es die meisten wohl kaum glauben moegen, in der christlichen Tradition waren Staat und Religion organisatorisch immer getrennt, wenn man von politisch unbedeutenden Fuerstbistuemern sowie vom katholischen Kirchenstaat oder auch vom 'protestantischen Gegenrom' des calvinistischen Genf absieht, wo geistliche Wuerdentraeger jeweils eine Doppelrolle als geistliche und weltliche Fuehrer innehatten. Dass geistliche Wuerdentraeger immer wieder Einfluss auf die politischen Fuehrer ausuebten und vice versa, steht auf einem anderen Blatt, hat aber mit der Trennung von Kirche und Staat nichts zu tun. Aus dieser Sicht besteht uebrigens auch in den weitaus meisten muslimischen Staaten eine Trennung zwischen geistlichen Organisationen und dem Staat, auch wenn natuerlich der Islam normalerweise eine sehr zentrale praegende Rolle in der jeweiligen Kultur einnimmt. Dazu kommt, dass im Islam eine spezifisch religioese Rechtsprechung (Scharia) auch fuer weltliche Delikte existiert, was es im christlichen Abendland so nie gab.


Gruss

Maesi


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