Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Die Zukunft des Feminismus

Garfield, Monday, 17.07.2006, 19:49 (vor 6935 Tagen) @ Andreas C.

Hallo Andreas!

Du hast ja nicht unrecht, aber du läßt einige wichtige Faktoren außen vor.

Nehmen wir beispielsweise mal das hier:

"Was ist aus der europäischen Hochkultur des 17. und 18. Jahrhunderts geworden? Aus Mozart und Haydn? Heute, wo alle gleich sind, ist es eben auch leichter geworden, den Geschmack der Massen (MTV, Blöd-TV) überall durchzusetzen."

Wie war es denn Menschen wie Mozart, Haydn, Händel, Goethe und anderen möglich, nicht nur Bedeutendes zu schaffen, sondern es auch bekannt zu machen?

Laut deiner Theorie müßten die Menschen früher anspruchsvoller gewesen sein und tiefere Werte gehabt haben.

Aber war das wirklich so? Wer finanzierte denn prominenten Musiker oder Dichter im 17./18. Jahrhundert maßgeblich? Das war nicht das einfache Volk, das sich Bücher, Konzert-, Theater- oder Opernbesuche kaum leisten konnte, sondern es war vor allem die Mittel- und Oberschicht. Es waren Menschen, deren Eltern ihnen eine gute Bildung vermittelten und sie eben oft auch frühzeitig an Musik oder Literatur heranführten. So wurde es diesen Menschen ermöglicht, Talente zu erkennen, und wenn sie auch noch große Vermögen hatten, konnten sie diese Talente auch fördern.

Heute haben wir eine völlig andere Situation. Heute wird viel Geld mit musikalischer und literarischer Massenware verdient, die dann leider oft auch ein entsprechendes Niveau hat. Schließlich ist die Profitspanne immer dann am größten, wenn man minimal in das Produkt investiert.

Heute bestimmen die Massenmärkte, was in den Medien läuft. Diese Massenmärkte gab es so für Musik und Literatur in früheren Zeiten gar nicht. Sie basieren heute auf den gestiegenen Einkommen auch der unteren Schichten und auf den modernen Medien.

Hätte man im 18. Jahrhundert der Bevölkerung Geld gegeben und die heute üblichen Massenmedien eingeführt, dann hätte sich flugs genauso ein Unterhaltungsniveau entwickelt wie wir es heute kennen, oder wohl eher ein noch schlimmeres. Leute wie Mozart oder Goethe wären in diesem Sumpf völlig versunken und von den Massen kaum zur Kenntnis genommen wurden.

Ansatzweise hat es so etwas nämlich auch damals schon gegeben, in Form von fahrenden Sängern und Theatern, die den Geschmack der ungebildeten Massen bedienten und oft auf eher niedrigem Niveau tätig waren. Aber die geringe Kaufkraft der Massen und das Fehlen der heute üblichen Medien zur weiten Verbreitung der Produkte dieser mehr oder weniger talentierten fahrenden Künstler sorgten dafür, daß der Nachwelt davon nicht viel erhalten geblieben ist. Die wesentlich solventeren oberen 10.000 dagegen sorgten dafür, daß die Werke von Mozart & Co. gedruckt, in Konzerthäusern und Opern gespielt und in Bibliotheken gesammelt wurden.

Das tun sie heute noch. Aber auch bei den oberen 10.000 gibt es heute das Problem einer gewissen Dekadenz. In früheren Zeiten hatte es Tradition, daß man die Kinder früh mit Musik und Literatur vertraut machte. Mit der Entwicklung des Bürgertums gelangten immer mehr Menschen zu Reichtum, die ursprünglich nicht den oberen 10.000 angehörten und keine entsprechende Bildung genossen hatten. Die wollten aber krampfhaft am Leben der etablierten oberen 10.000 teilhaben und sich somit auch für Musik, Literatur oder Kunst interessieren. Das Ergebnis sind dann heute noch Leute, die ernsthaft über von Chimpansen "gemalte Bilder" debattieren, oder über "Kunstwerke", die beispielsweise aus einem schwarzen Strich auf weißem Grund bestehen (während der "Künstler" sich womöglich innerlich über ihre Dummheit amüsiert).

Es gibt auch heute noch genügend Menschen, die gute Musik oder gute Literatur zu schätzen wissen. Aber der Massenmarkt ist auf den Durchschnitt ausgerichtet. Weil der Durchschnitt heute einigermaßen solvent ist. DAS ist der wesentliche Unterschied zu früher.

Mit dem Feminismus verhält es sich nun sehr ähnlich. Es hat eigentlich zu allen Zeiten Feministinnen gegeben. Aber es gab keine Massenmedien, die ihre Pamphlete verbreiteten. Und es gab niemanden, der ein Interesse daran hatte, sie für seine Zwecke einzuspannen und der deshalb die Verbreitung ihrer Ideen in den Medien (Zeitungen gab es ja schon im 17./18. Jahrhundert) förderte. Selbst wenn das jemand getan hätte: Diese Medien erreichten damals die Masse der Bevölkerung gar nicht. Da konnten ja viele noch nicht einmal lesen.

Mit der Theorie, daß man früher bessere Werte gehabt hätte als heute, läßt sich das alles jedenfalls nicht erklären. Und es kann auch keine Lösung des Problems sein, den Massen die Kaufkraft wieder zu nehmen (was ja ohnehin bereits geschieht) oder nur eine Minderheit bestimmen zu lassen, was gut und was schlecht ist. Letzteres versuchen ja auch die Feministinnen, und auch in der DDR wurde es so praktiziert - da bestimmte die SED-Führung, was dem Durchschnittsbürger zu gefallen hatte. Das war dann letztendlich auch einer der Gründe für den Untergang der DDR. Die Menschen hatten es satt, dermaßen von einer weltfremden Greisen-Truppe bevormundet zu werden.

Freundliche Grüße
von Garfield


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