Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Verständliche Antwort, aber...

Moritz, Tuesday, 03.12.2002, 10:08 (vor 7860 Tagen) @ Jens

Als Antwort auf: Verständliche Antwort, aber... von Jens am 02. Dezember 2002 21:05:13:

Hallo Jens,

Erstens gibt es heute weder eine direkte Bedrohung der deutschen Grenzen noch würde es irgendeinen Sinn machen, einen Angriffskrieg gegen ein Nachbarland zu führen. Somit ist der potenzielle Bedarf an Soldaten schon mal deutlich gesunken, was sich ja auch in der Verkleinerung der Bundeswehr widerspiegelt.
Ein Angriffskrieg steht grundsätzlich außer Frage. Trotzdem kannst du mir die Politische Lage in 15 Jahren in Europa nicht erzählen, vielleicht noch nicht mal in 5 Jahren. Das konnte das konnte 1909 keiner, das konnte 1934 keiner, das konnte im positiven Sinne 1984 auch keiner. Und allein der Gedanke daß "momentan" keine Gefahr besteht, sagt letzten Endes nichts aus.

++Das ist sicher ein Argument für die Beibehaltung der Bundeswehr, spricht aber noch lange nicht für die Wehrpflicht. Schau dich einfach in unseren Nachbarländern um, die haben die Wehrpflicht längst abgeschafft oder sind grad dabei. Das Argument, die Wehrpflicht sorgt für ein gewissen Pool an ausgebildeten Reservisten, ist mittlerweile hinfällig geworden, die haben nämlich auch keine mehr.
Abgesehen davon dürfte es wohl kein Problem sein, Deutschland innerhalb von fünf Jahren entsprechend hochzurüsten falls uns Luxemburg oder Lichtenstein mal bedrohen sollten. ;)

Das führt dazu, daß der einzelne Soldat mehr Verantwortung trägt und auch mehr Kenntnisse haben muß. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch weiter verstärken. Computer, diverse andere Elektronik und Sateliten-Kommunikation haben schon lange Einzug in die Bewaffnung der Streitkräfte gehalten, und die Nano-Technologie wird auch waffentechnisch noch einiges möglich machen, was sich heute noch niemand vorstellen kann.
Fassen wir mal zusammen:
1.) der Soldat muß wissen, wie man ein im Handel übliches GPS-System liest
2.) der Soldat muß wissen, wie man ein im Handel übliches Handy oder Kommunikationsgerät bedienen muß, wobei er das wählen noch nicht mal erlernen muß.
3.) Der Soldat muß weiterhin gut schießen und mit seiner Waffe umgehen könnten.
4.) der Soldat muß weiterhin gut getarnt sein.
5.) der Soldat muß weiterhin gut im Team und mit Taktik arbeiten können.
Bis auf punkt 1) und 2) bleibt praktisch alles beim alten.
Jede Waffe kann man in ein paar Tagen bedienen, auseinanderbauen und zusammenlegen - zumindest jede tragbare - und mehr wird ein Soldat nicht mit sich herumtragen, als das, was er tragen kann.

++Also wenn ich so an meinen "Ehrendienst" zurückdenke, da war erst ein Monat Grundausbildung angesagt und danach fünf Monate Ausbildung an der Technik. Naja, dazu noch ein bisschen anderes Zeugs. Mal etwas überspitzt formuliert: So nach nem halben Jahr war ich dann soweit, dass ich im Falle eines Falles a) mich nicht versehentlich selbst abmurkse und b) anstatt der "Tornados" und was da sonst noch so rumflog, unsere eigenen Fluggeräte vom Himmel rotze.
Unter dem Aspekt das sich die Technik in den letzten Jahren "etwas" weiterentwickelt hat, dürfte die notwendige Ausbildungszeit wohl eher nicht gesunken sein. Zumindestens wenn das Ganze nicht nur Kasperletheater sein soll. Das Problem an der Sache ist, bei neun Monaten Wehrdienst werden die Wehrpflichtigen genau in dem Augenblick wieder entlassen, wenn sie erstmals überhaupt einsatzfähig sind. Was letztlich bedeutet du hast keine oder nur bedingt einsatzfähige Streitkräfte. Andere Länder haben entweder eine Berufsarmee oder sehr viel längere Wehrdienstzeiten (Türkei, Griechenland, Russland). Alles andere ist nämlich völliger Quatsch. Wenn ich dann noch die CDU höre: "Wehrdienstzeit auf sechs Monate verkürzen", dümmer gehts nimmer kann man da nur sagen. So langsam artet das in 'ne Farce aus.

Die Bundeswehr müßte erstmal modernisiert werden. Durch das G36 ist das schon geschehen. Besonderheiten dieses Gewehres: Plastikmagazin (man sieht, wieviel Schuss noch drin sind), Magazine kann man aneinanderklemmen, integriertes Zielfernrohr, Leuchtpunktvisier, normales Visier, kleiner Munition als G3. Wahnsinn! Tolle Modernisierung.

++Das die Bundeswehr modernisiert werden müsste ist wohl wahr, aber in einem völlig anderen Bereich als Du hier meinst: Aktuell kann der Bund ca. 60.000 "Frontschweine" aufbieten, der Rest ist alles Wasserkopp, wenn Du zu den knapp 300.000 Bundeswehrangehörigen noch die diversen Zivilbeschäftigten hinzurechnest, kommst Du da auf ein Verhältnis von mindestens eins zu sechs. In anderen Ländern liegt das Verhältnis bei eins zu drei. Diese überbordende Infrastruktur, die sich im Laufe der Jahrzehnte um die Wehrpflicht herum entwickelt hat, ist einerseits Ursache dafür, dass der Bund dem Steuerzahler teuer zu stehen kommt, gemessen an seiner Gegenleistung. Auf der anderen Seite, zumindest meiner Meinung nach, einer der beiden Gründe warum sich diverse Politiker so an die Wehrpflicht klammern. Bei der Schaffung einer Berufsarmee gehen da nämlich 'ne ganze Menge Jobs flöten. Der zweite Grund sind die dann wegfallenden Zivis, alles andere ist nur Gedöhns.

Bisher war die Bundeswehr meist auch vor allem für Sicherungsaufgaben eingesetzt, wie z.B. in Ex-Jugoslawien.
Stimmt, nur das ist nämlich erlaubt.
Neuerdings sind aber auch wirkliche Kampfeinsätze möglich, bei denen es dann natürlich auch Verluste geben wird. Umso höher die Verluste sein werden, desto stärker wird die Bereitschaft der Soldaten für die Teilnahme an solchen Einsätzen sinken.
Falsch, laut Mastricht ist das Deutschland gar nicht gestattet. Hilfe begrenzt sich NUR auf: Sicherung des Friedens, Humanitäre Hilfe. Kampfeinsätze werden wohl auch in nächster Zeit nicht erlaubt sein. Deswegen konnte man sich ja über Schröder nur schlapplachen, als er gesagt hat, "ich schicke keine Soldaten in den Krieg" - das ist nämlich gar nicht möglich.
Deshalb wird das dann bald nicht mehr freiwillig sein. Und es ist gut möglich, daß man dann soweit geht, nicht nur Berufssoldaten dazu zu verpflichten, sondern auch Wehrpflichtige.
Absolut ausgeschlossen. Auslandseinsätze sind immer freiwillig und werden das auch bleiben. Was die Wehrpflicht und der Aufgaben angeht ist im GG verankert. Das müßte man dann erstmal ändern.
Weil das nämlich teilweise gar nicht anders möglich ist. An Bord von Kriegsschiffen der Bundesmarine beispielsweise sind auch Wehrpflichtige, und es ist nicht immer möglich, die vor so einem Einsatz noch schnell auszutauschen.
Kein Wehrpflichtiger wird (jemals) gezwungen ins Ausland zu gehen - laut GG gar nicht machbar.
Bisher fahren die noch freiwillig mit, aber ob das noch so ist, nachdem vielleicht mal ein deutsches Marineschiff bei einem Kampfeinsatz mit hohen Personalverlusten versenkt wird, ist fraglich...
Nochmal: Kampfeinsätze sind nicht erlaubt.

++Also ich kann im Grundgestz nix finden, was den (auch zwangsweisen) Einsatz von Wehrpflichtigen im Ausland einschränkt. Zwischen humanitären Einsätzen und Kampfeinsätzen wird da auch nicht unterschieden, wie denn auch, aus jeder Friedensmission kann ruckzuck mal ein Kampfeinsatz werden und Maastricht hat mit dieser ganzen Geschichte nun wirklich garnix zu schaffen.
Es mag wohl sein, dass ein zwangsweiser Einsatz von Wehrpflichtigen im Ausland momentan politisch nicht durchsetzbar wäre, aber vor einigen Jährchen noch, waren Auslandseinsätze der Bundeswehr generell undenkbar. Den Anfang haben humanitäre Einsätze mit med. Personal gemacht, danach kamen sogenannte Friedensmissionen und mittlerweile beiteiligt sich die Bundeswehr aktiv an Kampfhandlungen. Könnte man glatt als Salamitaktik bezeichnen, na mal sehen was als nächstes Scheibchen auf uns zukommt. Der Bedarf an Personal für Auslandseinsätze ist jedenfalls nach wie vor ungebrochen.

Gruss
Moritz


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