Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Verständliche Antwort, aber...

Garfield, Wednesday, 11.12.2002, 10:46 (vor 8206 Tagen) @ Dieter

Als Antwort auf: Re: Verständliche Antwort, aber... von Dieter am 10. Dezember 2002 17:26:06:

Hallo Dieter!

Ja, das sehe ich genauso. Ich fand die Wiedervereinigung ja durchaus gut, aber es wäre gut gewesen, die Vorteile beider deutscher Staaten zu vereinen und somit ein Land zu schaffen, daß besser ist als beide Ausgangsstaaten.

Leider wurde das nicht getan. Im Osten wurde eh alles platt gemacht, und im Westen bzw. in Gesamtdeutschland versucht man seit 1990 immer wieder und teilweise mit durchschlagendem Erfolg, alle die Zugeständnisse, die man der Bevölkerung nach der Nazizeit und im Kalten Krieg gemacht hat, wieder zurück zu nehmen. Alles für den Maximalprofit der Großkonzerne.

Das deutsche Volk (oder zumindest Teile davon) hatte zwei große historische Chancen, um etwas wirklich neues zu schaffen. Die erste Chance hatten wir 1933 - das haben die Nazis gründlichst versiebt. Die zweite Chance hatten die Ostdeutschen 1990. Damals gab es bereits Ansätze, um das politische System der DDR entscheidend zu verbessern, wie z.B. die Runden Tische. Ich denke, auch das war ein Grund, wieso Kohl es dann mit der Wiedervereinigung plötzlich sehr eilig hatte. Denn auch der Bundesrepublik war der Wettbewerb mit der DDR durchaus lästig. Man war dadurch ja eben gezwungen, den Gewerkschaften und damit der arbeitenden Bevölkerung mehr Zugeständnisse zu machen, damit der Lebensstandard im Westen im Vergleich zur DDR immer möglichst hoch lag. Wenn es nun in der DDR gelungen wäre, ein ganz neues, besseres politisches System einzuführen und dann auch die ostdeutsche Wirtschaft auf Schwung zu bringen, wäre dieser Wettbewerb für die Bundesrepublik schon weitaus härter geworden. Die Bundesrepublik hätte auch dann immer noch besser dagestanden, hätte aber dafür weitaus mehr aufwenden müssen.

Du hast auch damit Recht, daß die Ostdeutschen wenigstens die Wahl hatten. Leider hat sich die Mehrheit von der DM und von dem besseren Warenangebot im Westen blenden lassen und dann die Parteien gewählt, die für eine sofortige Wiedervereinigung eingetraten sind.

Ich hab damals viel darüber diskutiert. Da kam dann immer wieder die Aussage, daß, sobald die CDU in der DDR an der Macht wäre, doch alles vorwärts gehen würde. Dabei war die Ost-CDU in der DDR ja schon seit Anfang 1990 an der Macht, und die bekam ihre Anweisungen aus dem Westen von Kohl. Der DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere mußte damals regelmäßig bei Kohl zum Rapport antreten.

Die meisten Anhänger hatte die CDU in Teilen Sachsens, im sogenannten "Tal der Ahnungslosen". Dort konnte man zu DDR-Zeiten nicht oder nur selten Westfernsehen empfangen. Viele Leute dort glaubten deshalb tatsächlich, daß die Berichte über die schon damals steigende Arbeitslosigkeit im Westen nur SED-Propaganda wären. Sie stellten sich den Westen so vor, daß dort jeder, der arbeiten möchte, auch Arbeit findet und gut verdient. Und daß diejenigen, die keine Arbeit haben, eben arbeitsscheue Penner und Gammler sind.

Als dann nach der Wiedervereinigung die Situation im Osten immer schlimmer wurde, weil immer mehr Betriebe dichtgemacht und die Beschäftigten auf die Straße gesetzt wurden, schlug die Stimmung schnell um. Als Kohl sich dann nochmal im Osten blicken ließ, wurde er mit Eiern beworfen - wahrscheinlich von genau den Leuten, die ihn vorher gewählt hatten. Danach hat er den Osten erstmal lange Zeit gemieden.

Die Böhsen Onkelz haben es später in einem Lied auf den Punkt gebracht, als sie in Bezug auf die Ostdeutschen sangen: "Ihr habt euch selbst besiegt, dieses Land ist kein Vergnügen."

Freundliche Grüße
von Garfield


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