Vor langer Zeit hatte ich einmal gehört: Wahrnehmung ist Wahr-nehmung, nicht Falsch-Nehmung. Das wollte ich noch einmal auffrischen.
Herausgekommen bei meinen Überlegungen ist ein allgemeiner Überblick über den Wahrnehmungsprozess. Obwohl es über 100 Wahrnehmungstheorien gibt, dürfte er State of the Art sein. Quellen führe ich nicht an, reiche sie jedoch bei Interesse gerne nach.
Meine wichtigste Erkenntnis beim Schreiben war, wie ausgeprägt die emotionale Beeinflussung und Steuerung inzwischen ist und wie indirekt. Das war auch mein Ziel – das etwas genauer zu verstehen. Natürlich hoffe ich, daß es auch Euch beim Lesen einige interessant gefüllte Momente Lebenszeit bietet.Um Handeln zu können, müssen wir die Welt um uns herum wahrnehmen und diese Wahrnehmung bewerten. Beide Schritte müssen wir lernen.
Der von unseren Sinnesorganen bereitgestellte Informationsfluss ist zunächst unstrukturiert. Er wird durch Mustererkennungsprozesse geordnet. Diese sind teilweise biologisch vorgegeben und teilweise erlernt. Ein Beispiel für einen angeborenen Mustererkenunngsmechanismus ist
.. .. . . .
(zwei nebeneinander stehende Punkte werden als einander zugeordnet „gesehen“ und nicht als unabhängig). Das funktioniert z.B. auch in Schriftsprache. Die Buchstaben selber sind Beispiel für erlernte Mustererkennung.
Die Bewertung der Wahrnehmung erfolgt zunächst durch die Emotionen. Dafür sind Emotionen auch im Grundsatz „gemacht“. Sie ermöglichen eine schnelle Reaktion auf die Situation. Ob ein Reiz eine Gefahr darstellt oder angenehm ist, wird dabei in Sekundenbruchteilen mit unseren Erfahrungen abgeglichen und löst eine körperliche Reaktion aus: Die Freisetzung von Hormonen etc., die wir dann als Emotion erleben.
Durch den neurologischen Aufbau des Gehirns ist eine bewusste, logisch-rationale Bewertung erst 0,5-1 Sekunde nach der emotionalen möglich. Die emotionale Reaktion (bei Angst z.B. Herzrasen, Atem anhalten) ist also schon in Gang, bevor mein bewusster, rationaler Verstand überhaupt von dem Reiz informiert worden ist!
Das ist praktisch, weil wir in freier Wildbahn schnell reagieren müssen. Es hilft allerdings auch beim Auto fahren: Manchmal bremsen wir schon, bevor wir das Auto aus der Seitenstraße bewusst erkennen. Das ist unpraktisch, weil wir auf den Tonfall unseres Gegenübers schneller reagieren als auf den Inhalt. Wir schimpfen also direkt zurück und merken erst verspätet, daß der andere gerade seine Wut erst halb dämpfen konnte, aber inhaltlich bereits sagt „okay, du hast recht!“Wichtig ist allerdings ein weiterer Faktor. Vom Bereich der emotionalen Einschätzung führen neuronale Bahnen zum Bereich der bewussten, rationalen Verarbeitung. Von dort führen jedoch auch Bahnen zurück, die ein Steuerung der Emotionen erlaubt.
Bei leichter und mittlerer Gefühlsintensität funktioniert das prima. Bei intensiven Gefühlen nicht. Intensive Gefühle lassen unsere Denk- und Analysefähigkeit und die von hier ausgehende Emotionssteuerung vorübergehend ausfallen.
Da die emotionale Reaktion schneller ist als die rationale, bemerken wir das Ganze oft nicht einmal. Wir stammeln dann Stuss und halten es für durchdacht.Tatsächlich bewirkt z.B. Fernsehen (vom Krimi bis zum Sport) und Dauermusik eine permanente Emotionalisierung, ebenso Lärm. Alarmismus, die tägliche Krise bewirken immer wieder intensive Gefühlsspitzen. Dies führt tätsächlich zu einer biologisch nicht vermeidbaren Beeinträchtigung bzw. Blockade höherer Denfunktionen, die durch ständige Wiederholung chronisch werden kann aufgrund der zunehmenden Ausprägung entsprechender neuronaler Bahnungen. Die Unterhaltungsindustrie wirkt also nicht wirklich ablenkend. Sie emotionalisiert permanent und wirkt dadurch wie ein dauerhafter Stressor. Die „Unlust“, sich noch mit komplexen Themen zu beschäftigen, ist keine echte Unlust. Sie ist vielmehr eine reale Unfähigkeit, weil das Gehirn mit der emotionalen Verabeitung beschäftigt ist und den Verstand blockt.
Der funktioniert dann nur noch in schlichten schwarz-weiß, gut-böse-Mustern. Empörung, Wut, Angst – all das ist gewollt und soll uns mit uns selbst beschäftigen.
Das war mir neu: Die Menschen werden nicht ungebildet gehalten und dann emotional ruhig gestellt. Sie werden emotional abgefüllt, um nicht denken zu können.
Gegenhalten heißt also, sich immer wieder in Gelassenheit zu üben. Gelassenheit ist das wichtigste Instrument gegen massenpsychologische Beeinflussung. Immer wieder hellhörig werden, wenn wir selber in schwarz-weiß zu argumentieren beginnen. In der Fastenzeit vielleicht eine Anregung, sich eine „emotionale Diät“ zu gönnen.
Quelle: http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=248849
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