Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Um Zwang geht es doch gar nicht

Garfield, Thursday, 01.06.2006, 16:43 (vor 6549 Tagen) @ Klaus_z

Hallo KlausZ!

Deiner Aussage, daß Gefühle vergänglich sind und eine Ehe auch eine materielle Basis benötigt, stimme ich durchaus zu.

Aber welche Schlußfolgerung ziehst du daraus nun ganz konkret? Bist du der Meinung, daß man durch Gesetze oder gesellschaftliche Normen Frauen in finanzielle Abhängigkeit vom Mann zwingen sollte? Du schreibst aber, daß du keinen Zang willst. Ja, was denn dann?

"Daß die Beziehungen heute nicht mehr klappen, sollte eigentlich allen klar sein. Da stellt sich natürlich die Frage, wie man wieder zu einem natürlicheren, stabileren Zustand komen kann."

Wieso "wieder"? Wann hat es deiner Meinung nach so einen Zustand gegeben?

"Einmal starben die Menschen früher nicht mit 40..."

Na ja, mancher wurde vielleicht auch 45. Es ist anhand von Knochenfunden aus mittelalterlichen Friedhöfen nachgewiesen worden, daß Menschen im einfachen Volk damals oft noch nicht einmal 40 wurden. In den höheren Kreise sah das nicht ganz so schlimm aus - da lebte man ja auch komfortabler, arbeitete nicht körperlich schwer und konnte sich gute Ärzte leisten (wenn auch die Medizin damals natürlich noch nicht so weit war wie heute).

Im Übrigen hat es schon seinen Grund, daß viele Frauen mit Ende 30/Anfang 40 keine Kinder mehr bekommen können und daß viele Menschen schon mit Ende 30/Anfang 40 die ersten Rückenprobleme bekommen. Und daß manche Menschen mit 45 schon fast keinen eigenen Zahn mehr haben. Das liegt einfach daran, daß die Menschen in früheren Zeiten kaum älter als 40/50 wurden. Unser Körper ist deshalb einfach nicht darauf eingerichtet, 70-80 Jahre oder noch länger zu leben. Wir leben in den reicheren Ländern erst kurz unter so guten Umständen, daß das möglich ist - und diese kurze Zeit reicht nicht, um sich körperlich an ein längeres Leben anzupassen. Zumal die natürliche Auslese heute ja auch teilweise ausgehebelt wird und oft nur noch über die Partnerwahl funktioniert.

"...dann heißt mehr Abhängigkeit voneinander nicht automatisch Armut, Kinderarbeit usw."

Nein, früher war es ja auch umgekehrt: Die Armut erzeugte die stärkere Abhängigkeit voneinander. Wer kein oder nur ein sehr geringes eigenes Einkommen hat, ist auf Hilfe von anderen angewiesen. Wenn es keine Sozialleistungen gibt, dann kann man nur betteln gehen - aber da ist es dann auch Glückssache, ob man etwas von anderen bekommt oder nicht. Also bleibt dann eben nur die Familie als einzige einigermaßen verläßliche Hilfsmöglichkeit.

Wo die Menschen nicht arm sind, da werden sie automatisch unabhängiger voneinander. Dann kann man es sich auch leisten, die Kinder lange zur Schule und zum Studium zu schicken und sie nicht für das Familieneinkommen mitarbeiten zu lassen. Wenn sich das die meisten Menschen leisten können, dann
wird sowas schnell üblich, und übliche Gewohnheiten fließen dann auch bald in die Gesetzgebung ein. Wenn dann aber viele Menschen immer weniger Besitz haben, dann müssen sie trotzdem die bestehenden Regeln und Gesetze einhalten. Wenn sie das finanziell nicht können, müssen sie auf Kinder verzichten. Genau das passiert jetzt. (Wobei das aber nur eine Facette des Problems ist.)

Schon jetzt sind immer mehr Menschen wieder aufeinander angewiesen. Jugendliche finden keine Lehrstellen und Jobs mehr, können sich keine eigenen Wohnungen leisten und müssen deshalb weiter bei den Eltern wohnen. (Hartz IV arbeitet zwar noch gegen diesen Trend, aber wohl nicht mehr lange.) Junge Paare, die sich ein Haus gekauft haben, müssen heute oft Eltern oder Großeltern mit ins Haus aufnehmen, weil sie ihre Rente zur Abzahlung der Kreditraten brauchen.

Die Entwicklung geht also eindeutig in die von dir gewünschte Richtung - nur wird das leider für viele Menschen mehr Nachteile als Vorteile mit sich bringen.

"Nur: Die Erfahrung heute zeigt eben, daß die heute angestrebte Liebesheirat sehr, sehr instabil ist."

Zweckehen waren früher auch nicht stabiler. Nicht selten lief das so, daß man zwar offiziell verheiratet war, sich inoffiziell aber fröhlich mit anderen vergnügte.

"Fakt ist, daß früher die Scheidugnsquote vernachlässigbar gering war, heute eine Trennung das normale darstellt."

Scheidungen gab es aber früher auch schon. Zwar galt eine Scheidung immer mehr oder weniger als Makel, aber das war nicht überall gleichermaßen stark ausgeprägt. Besonders streng sah man das z.B. im viktorianischen England. Da konnte man sich durch eine Scheidung gesellschaftlich unmöglich machen und sich eventuell sogar wirtschaftlich (z.B. durch den Verlust von Geschäftspartnern) ruinieren. Dann ließ man sich eben nicht scheiden, sondern ging einfach fremd.

Wenn man sich mit Biographien von prominenten Persönlichkeiten aus früheren Zeiten befaßt, stellt man fest, daß Fremdgehen da offenbar als Kavaliersdelikt galt. Jedenfalls war es übliche Praxis. Da kann man sich vorstellen, was im einfachen Volk, wo man weitaus weniger im Licht der Öffentlichkeit stand und auch weitaus weniger zu verlieren hatte, abging.

Daß Scheiungen nicht so einfach möglich waren wie heute, war auch durchaus nicht immer von Vorteil.

Was würdest du z.B. tun, wenn du den Verdacht hättest, daß deine Frau fremdgeht? Klar - erst einmal würdest du sie wahrscheinlich darauf ansprechen. Wenn sie dann aber alles leugnet und behauptet, daß du dir das nur einbildest? Und wenn du dir aber sicher bist, daß es so ist?

Was wäre z.B., wenn du sie in flagranti mit ihrem Liebhaber in eurem Ehebett erwischst? Würdest du da nicht auch eine Scheidung zumindest in Erwägung ziehen?

Und nun stelle dir mal vor, sowas wäre dir im 18. Jahrhundert passiert. Dann hättest du natürlich auch die Scheidung verlangen können - aber das wäre von den Behörden abgelehnt worden, weil du keine glaubwürdigen Zeugen für den Seitensprung gehabt hättest. Du müßtest dir also irgendwelche Menschen in deinem Umfeld, die allgemein als glaubwürdig und seriös gelten, suchen, denen vom Seitensprung deiner Frau erzählen (auf die Gefahr hin, daß sie es weiter erzählen und es dann bald der ganze Ort weiß), und wenn du den Verdacht hast, daß deine Frau sich gerade wieder mit ihrem Liebhaber trifft, müßtest du mit diesen Leuten hingehen und sie dabei erwischen, und zwar in eindeutiger Position. Dann könntest du dich problemlos scheiden lassen. Sonst wäre es schwierig. Wenn deine Frau clever wäre und es so machen würde, daß außer dir niemand etwas ahnt, könnte sie heimlich hunderte Liebhaber haben, und auch wenn du das weißt, könntest du dich nicht scheiden lassen. So war das früher. War das wirklich so toll?

Freundliche Grüße
von Garfield


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