Von Heinz-Georg Hailwax aus dessen Reihe „Waffen und Leute“ im leider eingestellten Schweizer „Internationalen Waffenmagazin“ (dieser Beitrag: Ausgabe März 1993)
Mit Prinz Eugen von Savoyen, dem in Frankreich geborenen Abkömmling einer italienischen Adelsfamilie, begann das „österreichische Heldenzeitalter“. Der kleinwüchsige, unschöne, unscheinbare Mann, vielbefehdet, vielumstritten, gilt im heutigen Österreich immer noch als strahlendes Vorbild für Ehrlichkeit, Tapferkeit und soldatische Tugenden.
Nicht nur vom Klima her war der Spätsommer des Jahres 1688 heiß. Griechisch-Weißenburg, später Belgrad genannt, lag in flirrender Hitze, von weißen Pulverwolken umsäumt. Nachdem die sehnlichst erwartete kaiserliche Artillerie endlich eingetroffen war, begann sie die Festung zwischen Donau und Save mit Feuer einzudecken. Bald entstanden einige Breschen in den Mauern, und erste Angriffe der von Kurfürst Max Emanuel geführten vereinigten christlichen Streitkräfte sollten ein Eindringen in die Befestigungen ermöglichen. Den Vorausabteilungen setzten die belagerten Türken ihre Elitetruppen, die Janitscharen, entgegen.
In vorderster kaiserlicher Linie kämpfte ein Reiter in geschwärztem Halbharnisch. Nachdem er und seine Gefolgsleute die schweren Reiterpistolen abgefeuert hatten, griffen sie zur Hauptwaffe, dem einschneidigen langen Reiterschwert – Pallasch. Schon waren die ersten Befestigungen erreicht, die Reiter abgesessen, kurze Sturmleitern angelegt, als ihnen eine wild schreiende Schar säbelschwingender Türken entgegenstürmte. Mit wuchtigen Schlägen schaffte sich der Anführer der christlichen Kämpfer Luft. Doch da stürzte sich ein Janitschare auf ihn und spaltete ihm mit einem scharfen Säbelhieb den Helm. Der Getroffene stürzte zu Boden, konnte den Angreifer jedoch noch mit einem tödlichen Schwerthieb abwehren. Als sich der Reiter in der dunklen Rüstung taumelnd erhob, traf ihn eine Musketenkugel oberhalb des Knies und warf ihn wiederum zu Boden. In einem harten Gefecht konnten seine Leute ihn schließlich befreien und hinter die eigenen Linien bringen. Man öffnete den Helm, und ein Feldscher begann mit der Versorgung der Wunden. Unter dem blutverklebten, glatten schwarzen Haar schaute ein schmales, pockennarbiges Gesicht mit dunklen Augen, hervorstehenden Zähnen und einer hässlichen Nase hervor. Der schmerzverzogene Mund stammelte auf französisch Dankesworte. Der 25jährige Prinz Eugen von Savoyen, Generalfeldwachtmeister des Kaisers, hatte eben die dritte und vierte von insgesamt dreizehn Verwundungen, die er in seinem Soldatenleben erleiden sollte, empfangen.
Der Prinz wurde am 18. Oktober 1663 im Palais Soissons zu Paris als fünfter und jüngster Sohn einer „Mazarinette“, einer Nichte von Kardinal Mazarin, und des Grafen von Soissons geboren. Eugens Mutter Olympia war eine der meistgehassten Personen am französischen Königshof. Ihre Unmoral, ihre Spielleidenschaft, ihre Neigung zu Intrigen und ihre Okkultgläubigkeit waren sogar zu jener Zeit auffallend, in der freie Liebe und Besitzsucht sozusagen zum guten Ton gehörten.
Bald wurde das Palais Soissons zum Zentrum kleinerer und größerer Verschwörungen; der Graf befand sich oft im Ausland, und so konnte Olympia ihre Tätigkeiten voll entfalten. Als frühere Geliebte von Louis XIV. hatte sie den Ehrgeiz, ihren einstigen Einfluß wieder zu erlangen, und verstrickte sich in Verschwörungen gegen Madame de la Vallière, des Königs erste offizielle Mätresse. Eine Giftmordaffäre, der Tod des Grafen und die Feindschaft der meisten Angehörigen des Hofes veranlaßten sie, im Jahre 1680 nach Brüssel zu fliehen. Ihre Kinder ließ sie in der Obhut von Verwandten und Bediensteten zurück.
Der junge Prinz Eugen befand sich in schlechter Gesellschaft, denn seine gesamte Umgebung war lasterhaft, verderbt, verzogen, pervers und spiel- und vergnügungssüchtig, und er war selbst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Doch gerade zur Zeit der Flucht seiner Mutter wandelte er sich vom Saulus zum Paulus und begann eine strenge Selbstzucht zu entwickeln. Ein Hang zum Militär veranlaßte ihn, seinen schmächtigen Körper zu stählen, er lernte Selbstbeherrschung und begann sich für klassische Bildung zu interessieren.
Entgegen dem königlichen Wunsch, der „hässliche kleine Bursche möge doch Abbé werden“, beschloß er, die Militärlaufbahn einzuschlagen. Schließlich suchte er sich ein bescheidenes Quartier in Paris und ließ im Februar 1683 durch seinen Freund Prinz Conti, den Schwiegersohn Louis XIV., und dessen Frau Urania eine Audienz beim König beantragen. Louis XIV. mißtraute jedoch allen Mitgliedern des Geschlechts der Soissons und schlug Eugens Bitte, Soldat werden zu dürfen, glatt ab. Eugen sollte Pfarrer werden und sonst nichts. Später darauf angesprochen, meinte der König, Eugen habe ihm während der Audienz frech wie ein Sperber ins Gesicht geblickt, was sonst niemand gewagt hätte. Eugen soll später erwidert haben, er habe dies getan, um festzustellen, „ob Louis XIV. es wert wäre, sein Herr zu sein“ – jedenfalls zeigt dies den Gegensatz und die Unversöhnlichkeit der beiden Charaktere.
Mit Unterstützung und in Begleitung von Prinz Conti flüchtete Eugen im Juli 1683 nach Osten. Conti wurde eingeholt, doch Eugen gelangte nach Passau an den kaiserlichen Hof des Habsburgers Leopold I., der für ihn bald väterliche Gefühle entwickelte. Der kampfbegierige junge Mann erhielt die Erlaubnis, sich dem Stabe des Herzogs von Lothringen anzuschließen, der den Entsatz des von den Türken unter Kara Mustafa belagerten Wiens vorbereitete.
Am 12. September 1683 hatte sich Eugen im Verlauf des langen Tages mit dem kaiserlichen Heer, vom Kahlenberg kommend, bis zum Burgtor Wiens durchgekämpft und sich in der Schlacht so bewährt, daß er noch im Winter 1683, bloße 20 Jahre alt, zum Obersten des Dragonerregiments Kueffstein ernannt wurde. Tapferkeit, Umsicht, Kühle und Beherrschung in gefährlichen Situationen sowie sein Führertalent brachten ihm einen raschen Aufstieg. 1684 bei Ofen und 1685 im Feldzug gegen die Türken verhielt sich der Prinz so tapfer und gewandt, daß er zum Generalfeldwachtmeister, d. h. Generalmajor, befördert wurde. Nach einem Urlaub in Venedig, wo er sich weniger um die holde Weiblichkeit, als um das Marine- und Geschützwesen bemühte, stürzte er sich wieder in den Krieg. Für sein Verhalten in der Schlacht bei Mohács erhielt er den Orden vom Goldenen Vlies. Von seinem herzoglichen Vetter bekam Eugen, allerdings unter der Bedingung, nie zu heiraten, zwei Abteien in Piemont, die ihm auf Lebenszeit beträchtliche Einkünfte sicherten. So war er schließlich doch noch, wenn auch indirekt, in den geistlichen Stand getreten.
Trotz der Bemühungen seiner Mutter, die ihn in spanischen Diensten sehen wollte, blieb Eugen in Wien. Die Notwendigkeit, im Westen gegen Louis XIV., der die Türken unterstützte, Verbündete zu finden, und der Franzosenzug über den Rhein führten schließlich zur Großen Allianz des Habsburgerreiches, Englands und Hollands.
In den Jahren bis 1696 wechselte das Kriegsglück oft; Eugen war vor allem mit der Reorganisation des Heerwesens beschäftigt und mußte sich ständig gegen seine Feinde und Neider bei Hofe wehren, die soweit gingen, ihm homosexuelle Neigungen zu unterstellen. Gleichwohl nahm der Prinz, der die Damen durchaus nicht mied, jedoch seine Karriere über alles stellte, dies ungerührt hin. Er hatte beschlossen, nie wieder arm zu sein, und so pflegte er seine Liebe zu prächtigen und schönen Dingen, sammelte Bücher und ließ sich einen Winterpalast in Wien errichten. Schon 1693 hatte er im Südosten Wiens ein riesiges Areal erworben, auf dem er später das Schloß Belvedere bauen ließ.
Die Vorbereitungen des Prinzen wurden durch die Absichten der Türken, einen weiteren Zug auf Wien durchzuführen, unterbrochen. 1697 wurde der erst 34jährige Berufssoldat zum Oberkommandierenden der kaiserlichen Truppen ernannt. Durch seine überragende Kriegsführung konnte im September 1697 bei Zenta das überlegene türkische Heer vernichtet, der Sultan zur Flucht getrieben und sein Groß-Siegel erbeutet werden (am 11. September 1697). Der ihm zugestandene Anteil an der Gesamtbeute machte Eugen – nach heutigen Begriffen – zum Milliardär.
1698 wurde Eugen stürmisch als Sieger über alle Türken gefeiert, konnte Peter den Großen bewirten und erfreute sich höchster Popularität, aber auch der Feindschaft seiner Neider am kaiserlichen Hof. Der Frieden von Rijswijk mit Louis XIV. und der Frieden von Karlowitz mit der Hohen Pforte schienen Europa eine längere Atempause verschafft zu haben. Eugen hatte alle seine früheren Schulden bezahlt, einige Güter zu seinen Besitzungen hinzuerworben und sogar Heiratspläne gewälzt, denn er wollte Franziska von Sachsen-Lauenburg ehelichen. Doch wie bei anderen Amouren auch, hatte des Prinzen Naturell, das eher kühl und abwägend war, über seine Neigung gesiegt. Er ertrug Frauen nur als zeitweilige Geliebte, aber nicht ständig um sich, und er war bereits in jungen Jahren eher zu einem rauhen Haudegen als zu einem potentiellen einfühlsamen Ehepartner geworden. Engagement, Begeisterung und Emotionen zeigte er nur auf dem Schlachtfeld.
So wurde er zu einem alten Junggesellen mit dem Bemühen, ein großes Familienerbe zu schaffen; doch starben nacheinander nahezu alle seine nahen Verwandten, sodaß er sein Herz schließlich den Kindern weit entfernter Verwandter zuwandte.
Als am 1. November 1700 Karl II. von Spanien kinderlos starb, begann der Kampf um das spanische Erbe. Dem raubgierigen Louis XIV. waren die Interessen Österreichs und Bayerns entgegengesetzt, sodaß es nach langen Verhandlungen schließlich doch zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. Eugen blieb in Italien siegreich, England und Holland mischten sich ein, und schließlich entwickelten sich die einzelnen Scharmützel zu einem großen Krieg.
Eugen wurde zum Präsidenten des Hofkriegsrates ernannt, und die enge Freundschaft mit dem Herzog von Marlborough, bekräftigt durch viele Siege, darunter auch bei Höchstädt (Blindheim) und Turin, ließen für ihn Großes erhoffen.
Nach dem Desaster von Toulon wurde die Schlacht von Oudenaarde gewonnen, im Jahre 1708 Lille eingenommen und am 11. September 1709 die gewaltige Schlacht von Malplaquet geschlagen.
Trotz der Erfolge mußten sich die beiden Heerführer, Marlborough und Eugen, in ihrer Heimat gegen Hofintrigen und Verleumdungen zur Wehr setzen. Schließlich kam es aber zum „Verrat der britischen Regierung“ und zur Entmachtung Marlboroughs, der nicht, wie Eugen, die Krone hinter sich hatte. Doch auch Eugen war nicht wohl; Leopold I. und sein Nachfolger, Josef I., waren gestorben, und Kaiser Karl VI. stand Eugen reserviert gegenüber. 1712 war der Prinz zur Unterstützung Marlboroughs in London gewesen und sogar der Verschwörung beschuldigt worden.
Unheilvolle Feldzüge ohne Marlboroughs Hilfe und obskure Weisungen des wankelmütigen Karl VI., der ständig zwischen Ablehnung und Dankbarkeit schwankte, führten zwar zu einem unbefriedigenden Friedensschluß mit Frankreich, doch war inzwischen im Osten der Türke wieder erstarkt. Der nunmehr 50jährige Eugen schlug in überlegener Weise im August 1716 die Osmanen bei Peterwardein vernichtend. Der Papst schenkte ihm dafür Prunkschwert und Seidenhut, eine Gabe, welche die Sieger über Ungläubige erhielten. Die Türkenbeute war unermeßlich.
Die Eroberungen von Temesvár und Beograd (Belgrad) folgten. 1718 wurde im Frieden von Passarowitz die Türkengefahr endgültig gebannt. Durch das von unbekannter Hand verfaßte Lied „Prinz Eugen, der edle Ritter“ wurde der Türkensieger noch zu Lebzeiten unsterblich gemacht.
Dennoch gab es wieder eine Verschwörung gegen ihn, sie wurde aber durch die Loyalität eines Bediensteten enthüllt. Diesmal aber hatte sich Kaiser Karl VI. voll hinter Eugen gestellt, und er blieb ihm von da an gewogen.
Zunehmend kümmerte sich der Feldherr nun um Kunst und Kultur, und Wien hat ihm neben der prächtigen Anlage des Schlosses Belvedere und dem Winterpalais in der Wiener Innenstadt viele Baudenkmäler und Investitionen zu verdanken. Eugen war auch ein Mäzen von Malern und Bildhauern. Doch war es dem Prinzen nicht vergönnt, in Begleitung seiner Freundin, der Gräfin Eleonore Batthány, einen geruhsamen Lebensabend zu verbringen.
Um 1733 starb der polnische König August II., dessen Krone durch Wahl vergeben werden sollte. Wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Habsburgerreich und Frankreich, zum Bündnis- und Intrigenspiel. England zog sich bündniswidrig zurück, und Eugen hatte wieder mit Mangel an Menschen, Material und Geld zu kämpfen. Am Ende der Feldzüge von 1734 äußerte Eugen den Verdacht, „England wäre immer bereit, in Europa bis zum letzten Deutschen zu kämpfen“. Verbittert zog er sich zurück.
In diesen Jahren begann Eugens geistiger Verfall; der nunmehr 70jährige hatte Sprechschwierigkeiten, litt an Senilität und war bald auf fremde Hilfe angewiesen. Altersschwäche und große Schmerzen hinderten ihn zu seinem Leidwesen an der Teilnahme an der Hochzeit Maria Theresias mit Herzog Franz von Lothringen. Am 20. April 1736 spielte er abends Karten, begann schwer zu atmen und legte sich bald ins Bett. Als sein Freund, Graf Tarouca, ihn besuchen wollte, wurde ihm mitgeteilt, der Prinz sei während der Nacht sanft entschlafen.
Der Kaiser ordnete ein Staatsbegräbnis an, das mit allen militärischen Ehren vollzogen wurde. Der einbalsamierte Leichnam, bekleidet mit der schwarz-scharlachroten Uniform seines ersten Dragonerregiments, lag drei Tage lang aufgebahrt. Im Stephansdom zu Wien, wo der Prinz in der Kreuzkapelle begraben liegt, ruht er in einem einfachen Sarkophag. Der Brust- und Rückenharnisch des Prinzen, den er in so manchem Feldzug getragen hat, ein schmuckloser, schwarzer Panzer mit sieben Kugeleindrücken, sowie ein ebenso einfacher messinggefaßter Degen, ein Kamisol und wenige persönliche Erinnerungsstücke sind im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien ausgestellt. Die Steinschloßpistole, neben dem Reiterschwert das eigentliche Handwerkzeug des jungen Eugen von Savoyen, ist auf etlichen Gemälden des Prinzen mit abgebildet. Eugens Herz ruht in Turin.
Mit seiner Hinterlassenschaft hat der so begüterte Mann kein Glück gehabt: Seine Nichte, Prinzessin Victoria, die 1763 starb, hatte zuvor alle Besitztümer des Prinzen zu Geld gemacht, alle Ehrendegen, Medaillons, Juwelen, antiken Möbel und persönlichen Besitztümer verkauft und das Geld verpraßt. Ein Vers, den man ihr an die Türe heftete, brachte ihr die Erbitterung der Wiener zur Kenntnis:
„Est-il possible que du prince Eugène la gloire, soit ternie par une si vilaine Victoire.“
Get the Flash Player to see the wordTube Media Player.
* * *