Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Alice und die Gleichheit

Maesi, Thursday, 14.04.2005, 01:44 (vor 7555 Tagen) @ CnndrBrbr

Als Antwort auf: Re: Alice und die Gleichheit von CnndrBrbr am 11. April 2005 15:29:

Hallo CnndrBrbr

Der Feminismus sagt von Vorne rein: "Frauen sind besser!".

Das behauptest DU, das glaube ich Dir aber nicht. Wenn ich mal eine Feministin selber frage, und ich nehme an, ich darf in diesem Zusammenhang mal Alice Schwarzer als Repräsentantin des Feminismus anführen, lese ich von ihr Sätze wie:
"In diesen bewegten Jahren blieb es EMMA und ein paar anderen wackeren Gleichheitsfeministinnen in der Tradition von Olympe de Gouge oder Simone de Beauvoir vorbehalten, nicht den Verstand zu verlieren und die Fahne gleicher Rechte und Pflichten hochzuhalten"
Ich habe keinen Text von ihr gefunden, wo sie für etwas anderes plädiert als Gleichberechtigung.

Bei soviel Naivitaet kann ich unmoeglich die Klappe halten. Natuerlich plaediert Frau Schwarzer nicht direkt fuer eine Ungleichberechtigung; so dumm ist sie nicht. Der Trick laeuft in der Regel ganz anders - naemlich ueber die unterschiedliche Bewertung von Frauen und Maennern bzw. ihrer Motive und Handlungen. Zentral in dieser hoechst sexistischen Betrachtungsweise ist das Opferparadigma: Frauen sind immer Opfer (selbst wenn sie sich als Taeterinnen gebaerden), waehrend Maenner immer als Taeter gelten (selbst wenn sie Opfer sind).

Als Beispiel dieser Denkweise empfehle ich Dir das Studium von Frau Schwarzers 'Analyse' zu den Foltervorkommnissen in Abu Ghraib in der Emma-Ausgabe 4/2004 (siehe Link). Die vordergruendig-sichtbaren Taeter werden zuerst fein saeuberlich nach Geschlecht separiert; Mitgefuehl und Empathie werden Frauen zugeteilt, Militarismus mit Maennlichkeit gleichgesetzt und all diese Zuweisungen pauschal dem Patriarchat zugeschoben - komisch nur, dass Frau Schwarzer sie in ihrer nachfolgenden Apologetik so willig uebernimmt. Hernach werden fuer die beiden unmittelbar beteiligten Frauen (Harman und England) alle moeglichen Entschuldigungsgruende gesucht, weshalb sie bei dieser widerlichen Zurschaustellung der Folterungen ueberhaupt mitgemacht haben. Harman wurde in ihrer Jugend mit Bildern von sezierten Leichen konfrontiert, die ihr Vater (ein Mann natuerlich) als Pathologe heimbrachte; England wollte sich einfach nur moeglichst komplikationslos in die militaerische Maennerhierarchie einfuegen. Der weibliche General Karpinski wird als Opfer ihres frisch von Guantanamo eingetroffenen Vorgesetzten geschildert - Schwarzers Diganose: Befehlsnotstand! Merken da womoeglich gerade aeltere Deutsche etwas? Den Maennern hingegen (insbesondere dem 'Sadisten' Graner) werden solche psychologisierende Entlastungsgruende nicht zuteil; sie sind nie die fremdbestimmten Opfer eines 'patriarchalischen Gewaltsystems', nein, sie sind ihre Traeger und willigen Vollstrecker - sie sind damit das 'Patriarchat' schlechthin. Die (Frauen-)Opfer sind uebrigens nicht bloss Harman, England und Karpinski; vielmehr sieht Frau Schwarzer alle Frauen im Militaer (das im Zusammenhang mit Abu Ghraib voellig abwegige Vergewaltigungsargument wird wieder mal aus der ideologischen Mottenkiste geholt), ja sogar alle westlichen Frauen insgesamt (nicht jedoch Maenner) als Opfer moeglicher fundamentalistisch-islamischer Racheakte.

Wie ein roter Faden zieht sich die unterschiedliche Bewertung von Maennern und Frauen durch die gesamten feministischen Diskurse. Dieser eklatante Sexismus hat einen ganz besonderen Grund: ein Opfer behandelt man ganz anders als einen Taeter; jemand, der von aeusseren Umstaenden zu einer Tat gezwungen wird beurteilen wir anders als jemand, der aus innerem Antrieb handelt. Und genau darauf gruendet in der Folge auch die feministische Ungleichberechtigung: Frauen sind Opfer und muessen deshalb anders behandelt werden als Maenner, die bekanntlich Taeter sind - durchaus logisch, wenn man bereits im Vorfeld die eindeutige, sexistische Rollenzuteilungen an die Geschlechter akzeptiert hat. Aus diesem Grund muss die Opferrolle der Frau mit Zaehnen und Klauen verteidigt werden; wer sie anzweifelt, ist ein Taeterfreund und/oder Frauenfeind oder stellt die feministischen Errungenschaften in Frage. Frauen sind gemaess dieser Ideologie Opfer der ('patriarchalischen') Umstaende, Maenner schaffen diese Umstaende. Die Frau ist zu foerdern und zu unterstuetzen, der Mann muss sogar mit gesetzlichen Mitteln an der Ausschoepfung seines Potentials gehindert werden (positive Diskriminierung). Die voellig entgrenzte weibliche Opferrolle bescherte uns Frauenbeauftragte, Frauenhaeuser, Maedchenspielplaetze, Frauentaxis und -bibliotheken, zahllose frauenzentriert-sexistische Studien zu Haeuslicher Gewalt, Anti-Maennergewalt-Kampagnen, Geschlechterquoten im OeD, Frauengesundheitsberichte, Sonderausbildungen fuer Maedchen und Frauen, Girls Days, etliche De-facto-Frauenschutz-Gesetze (z.B. GewSchG), Gender Mainstreaming usw. usf.; ein Ende ist nicht abzusehen.

Vielleicht solltest DU mal den anderen Link, den Du bereits von mir bekommen hast, erkunden. Hier ist er noch einmal: www.matriarchat.net

Na dann lesen wir doch mal nach, wie die Autorin sich eine Frauenherrschaft vorstellt:
Matriarchat
Was ein Matriarchat nicht ist:
* Frauenherrschaft
* eine Utopie
* eine Gesellschaft ohne Männer

Als Utopie wuerde ich das Matriarchat auf jeden Fall bezeichnen. Aber das ist Ansichtssache...

Andere Bezeichnungen für matriarchale Gesellschaften sind:
* Naturvölker
* Stammesgesellschaften
* indigene oder eingeborene Völker
* primitive Völker
* Wilde
* Regulierte Anarchie
* Konsensdemokratie
Merkmale:
* der biologische Vater und die biologische Mutter haben keine Bedeutung oder spezielle Funktion
* Ausnahme: die Clan- oder Stammesmutter (Matriarchin) und ihr Bruder (Mutterbruder)
* das Leben findet in der Großfamilie (Clan) statt, die gemeinsam in einem Clanhaus wohnt
* ein Dorf besteht aus mehreren Clanhäusern und einem Versammlungshaus
* alle im Dorf sind irgendwie miteinander verwandt und bilden eine Sippe
* mehrere Sippen/Dörfer bilden einen Stamm
* alle im Dorf leben von Subsistenzwirtschaft und sind daher unabhängig von außen
* Garten- und Ackerbau wird im Dorf und auf dem umliegenden Land betrieben
* alle Handlungen - wie Feldarbeit, Schafschur, Feste feiern, ein Webstück herstellen - finden im Rhythmus der Jahreszeiten statt und spiegeln diese wieder
* die Älteren lehren die Jüngeren (Heilkunde, Garten- und Ackerbau, Tierpflege, Töpfern, Weben, Kochen, Geräteherstellung, Fischen, Fallenstellen usw.)
* Ältere Jungen und Mädchen kümmern sich um die kleineren, versorgen sie, kuscheln und spielen mit ihnen
* Kinder und Jugendliche leben in einem Kinderhaus (Kinderdemokratie), wenn sie das wollen
* "Ehen" sind Verbindungen wirtschaftlicher Art
* die Schwestern einer Generation "heiraten" die Brüder eines anderen Clans
* Liebesverhältnisse sind unabhängig davon; sie können kurz oder ein Leben lang sein
* Alle Entscheidungen finden auf Konsensbasis statt (Konsensdemokratie)
* Es gibt keinerlei Hierarchien
* Niemand wird zu etwas gezwungen, auch Kinder nicht (Selbstbestimmung)
* Es gibt weder bei Kindern, noch bei Erwachsenen sexuelle Einschränkungen irgendwelcher Art
* Für junge Mädchen und Frauen gibt es wirksame Verhütungsmittel zur Geburtenregelung
* Ein Stamm hat immer so viele Nachkommen, wie er verkraften kann bzw. wie er zum Überleben braucht

Zunaechst einmal weiss kein heute lebender Mensch, welche Gesellschaftssysteme in vorgeschichtlicher Zeit vorgekommen sind; die politischen, sozialen und kulturellen Verhaeltnisse sind ebenso unbekannt wie die Geisteshaltungen der damaligen Menschen oder ihre Sprache. Die detaillierten vorgeschichtlichen Matriarchatsvorstellungen Schwarzers und ihrer Gesinnungsgenossinnen kann man also getrost in den Bereich der Fantasy-Romane abschieben.

Das Leben im Einklang mit der Natur bedeutete auch gegenueber der Natur ausgeliefert zu sein; Religion war u.a. der Versuch, Umstaende zu beeinflussen, die in Wirklichkeit ausserhalb des menschlichen Wirkungsmoeglichkeiten standen. Duerreperioden, Ueberschwemmungen, Kaelteeinbrueche waren ebenso Katastrophen fuer die Menschen wie Mangelernaehrung, Krankheiten, fehlende Hygiene, Verletzungen, starke koerperliche Beanspruchung usw.; die quasi-sozialistische Gesellschaft, die Frau Schwarzer oben entwirft, gruendete nicht auf innerer Einsicht sondern auf permanenter, akuter Mangelwirtschaft.

Selbst in heute noch existierenden naturnahen Clans auf Jaeger- und Sammlerbasis finden wir beispielsweise Hierarchien; Frau Schwarzer widerspricht sich obendrein gleich selber, indem sie behauptet, es gaebe ihrer Matriarchatsvision 'keinerlei Hierarchien', sie aber gleichzeitig eine Clanmutter (Matriarchin) sowie ihren Mutterbruder postuliert und ihnen eine besondere Bedeutung oder Funktion zuweist.

Welche Konsequenzen zeitigte eine solche weitgehend auf baeuerliche Produktion gruendende Gesellschaft? Konsensdemokratien gaebe es allenfalls in Bezug auf die Aeltesten und Erfahrensten der Gruppe, denn um erfolgreich ueberleben zu koennen, muesste man sich meist auf die Sachkenntnis und Erfahrung dieser Leute verlassen. Die individuelle Selbstbestimmung waere auf ein Minimum reduziert, da die Gruppe mannigfaltige Ansprueche an jedes Individuum stellte, deren Erfuellung wiederum fuer die primitive Gesellschaft insgesamt ueberlebenswichtig waere; eine nennenswerte Privatsphaere gaebe es nicht. Verhuetungsmittel waeren in solch primitiven Gesellschaften unzuverlaessig (sofern ueberhaupt bekannt); Kindstoetung gaelte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als legitimes Mittel zur Kontrolle der Population und das korrelierte dann exakt mit dem letzten oben aufgefuehrten Merkmal ('ein Stamm hat immer so viele Nachkommen, wie er verkraften kann'). Die Kindersterblichkeit waere hoch, ebenso die Muettersterblichkeit.

Dass ausgerechnet Frau Schwarzer fuer den Wegfall von sexuellen Einschraenkungen (insbesondere bei Kindern) plaediert, kaufe ich ihr schon gleich gar nicht ab - man(n) lese zu diesem Zweck einmal ihre Erguesse im Rahmen der PorNo-Kampagne oder die Aufforderung der 'Emma' an die Frauen, die allenfalls sexuell motivierten Internet-Surfgewohnheiten ihrer Lebensabschnittspartner auszuspionieren. Das alles zeugt vielmehr davon, die (maennliche) Sexualitaet kontrollieren zu wollen. Im uebrigen ist Sex mit Minderjaehrigen (insbesondere Schutzbefohlenen) zu Recht verboten. Von einem einvernehmlichen Sex kann in diesen Faellen naemlich kaum die Rede sein, vielmehr kommt regelmaessig ein Abhaengigkeitsverhaeltnis oder ein Zwang zum Tragen, welche zur sexuellen Ausbeutung des Kindes fuehren; eine Ausnahme sehe ich hoechstens dann gegeben, wenn der Altersunterschied klein ist und kein Abhaengigkeitsverhaeltnis oder sonstiger Zwang vorliegt - aber auch in diesen Faellen sollte das gerichtlich untersucht werden.

An Frau Schwarzer ist eine Anarchistin verlorengegangen. Sie salbadert von Subsistenzwirtschaft und meint trotzdem nur Autarkie; Autarkie ist als Wirtschaftsform definitiv gescheitert. Es gab in den 70er Jahren viele solche basisdemokratischen, autarken, an die Scholle gebundenen Kleinstgesellschaften, in denen man anarchische Gesellschaftsformen ausprobierte; die wenigsten hatten waehrend laengerer Zeit Bestand und ausserdem war ihnen kein Wachstum beschieden. Gegenueber der modernen leistungsfaehigen, hochdifferenzierten Gesellschaft haben solche primitiven Produktionsformen allenfalls erst dann eine Chance, wenn unsere Wirtschaft vollstaendig zusammenbricht - kein Szenario, das ich mir herbeiwuensche. Die erfolgreichste basisdemokratische Struktur auf landwirtschaftlicher Basis ist wohl der Kibbuz - aber ein Kibbuz heute ist etwas voellig anderes als vor 50 Jahren und selbstverstaendlich haben sich auch dort jeweils informelle Hierarchien ausgebildet - von anarchischen Verhaeltnissen kann keinerlei Rede sein; desweiteren ist der moderne Kibbuz nicht gerade etwas umweltfreundliches.

Frau Schwarzer muss natuerlich selbst wissen, ob sie sich mit ihrer offensichtlichen Unkenntnis ueber die fruehen Ackerbaukulturen - dafuer umso mehr ideologisch gefaerbten Wunschvorstellungen - vor aller Welt entbloessen will. Als geeignete Gesellschaftsform fuer die heutigen Menschen taugen ihre durch romantische Phantasien vom 'Edlen Wilden' gepraegten und sich hauptsaechlich auf Landwirtschaft abstuetzenden Visionen schon aus wirtschaftlichen Gruenden nicht; es sei denn, sie naehme mit der Rueckkehr zur baeuerlich gepraegten 'Grabstock-Kultur' den Hungertod von mehreren Milliarden Menschen in Kauf - und den Hungernden waere es dann ziemlich egal, ob sie zum Ausgleich in einer 'Konsensdemokratie' leben duerften oder nicht. Sechs Milliarden Menschen mit einer solchen primitiven Schollenkultur auch nur annaehernd ernaehren zu wollen, ist schlichtweg schwachsinnig.

Der Terminus Patriarchat hat eine ähnliche, und doch ungleiche Bedeutung: da patri von lat. pater, zurückgehend auf indogerm. peter, "Vater" kommt, wäre die Übersetzung "am Anfang die Väter", was aus der Perspektive des patriarchalen Paradigmas korrekt ist und unter der Berücksichtigung, dass das Patriarchat um 5000 v.u.Z. seinen Ursprung hat. Ab diesem Zeitraum beginnt die patriarchale Geschichtsschreibung (Antike), als die Väter die Herrschaft übernahmen und die Entscheidungen trafen, nicht gemeinsam mit "den Müttern" sondern an ihrer statt. Daher veränderte sich die Wortbedeutung des gr. Verbs archeín zu "der erste sein, die Herrschaft haben"
Die Stelle, wo steht, daß Männer weniger wert sind, die Frauen bedienen und versorgen müssen, habe ich nicht gefunden. Du?

Schon der Zeitpunkt (5000 v.u.Z.) ist reichlich willkuerlich gewaehlt; meint Frau Schwarzer damit uebrigens 5000 v.Chr. oder 5000 Jahre vor heute (also 3000 v.Chr.)? Meist hoert man letzteres, was wohl mit der kurz nach 3000 v.Ch. erfolgten Erfindung der Schrift zusammenhaengt. Eine grosse Veraenderung hat es mit dem Uebergang von der nomadischen zur sesshaften Lebensweise gegeben; je nach Region in der Welt fand dieser Uebergang zu sehr unterschiedlichen Zeiten statt, in manchen Weltgegenden wurden nomadische oder halbnomadische Lebensweisen bis in die Neuzeit hinein beibehalten.

Im Gebiet des 'Fruchtbaren Halbmonds' und in den benachbarten Regionen (Anatolien, Syrien, Iran) konnten die bislang aeltesten permanenten Siedlungen bzw. Staedte ausgemacht werden; erste permanente Siedlungen datiert man IMHO bereits in das 11. Jahrtausend v.Chr (z.B. Mureybet am Euphrat), allerdings sind diese fruehen Spuren sesshafter Kultur sehr selten, da die dabei verwendeten Baumaterialien zum groessten Teil laengst verrottet sind; ausserdem scheinen diese ersten Siedlungen noch sehr stark auf Jagd und weniger auf Ackerbau gegruendet zu haben.

Mit der Sesshaftigkeit gewann Eigentum eine erhebliche Bedeutung. In der Folge waren Menschen erstmals mittels Vorratshaltung in der Lage, jahreszeitliche Schwankungen und Duerreperioden abzufedern. Diese Vorratshaltung erlaubte die Abkehr von der aeusserst fragilen und stoeranfaelligen Sammler- und Jaegerkultur, man gewann dadurch erheblich an wirtschaftlicher Sicherheit; desweiteren konnten bei ausgedehnteren (nicht mehr bloss auf Blutsbande beruhenden) Gesellschaftssystemen lokale Katastrophen durch Solidaritaet nicht direkt davon betroffener Gesellschaftsteile besser ueberstanden werden. Darauf differenzierte sich die Gesellschaft immer staerker, es fand auch eine Spezialisierung sowie eine technische Entwicklung (gebrannte Keramik, gezielte Pflanzenzuechtungen, Domestizierung von Haustieren, Herstellung von Werkzeugen und ab ca. 2900 v. Chr. auch die Erfindung der Schrift) statt. Die Gaben der Natur fielen den (sesshaften) Ackerbauern aber keineswegs in den Schoss, sie mussten ihr vielmehr recht muehselig abgerungen werden. In Mesopotamien (ebenso in Aegypten) wurden deshalb schon frueh Bewaesserungsanlagen gebaut, was wiederum nach einer straffen Organisation verlangte, um deren Bau und Wartung ueberhaupt zu ermoeglichen.

Das Aufkommen solch straff organisierter und stark ausdifferenzierter Gesellschaften scheint fuer viele Feministen den Beginn des 'Patriarchats' darzustellen; sie uebersehen dabei, dass diese neuen Organisationsformen in Wechselwirkung mit neuen oekonomischen und technischen Moeglichkeiten standen und beides sich gegenseitig befruchtete. Die Entwicklung des 'Patriarchats' ist demzufolge nicht einfach als 'Machtputsch' der Vaeter zu deuten, die skrupellos die 'Urmuetter' entmachteten, sondern als Resultat einer kontinuierlichen oekonomischen, sozialen, kulturellen und technischen Entwicklung, die neue Organisationsstrukturen erforderte, weil die ueberlieferten nicht mehr genuegten. 'Patriarchat' (vaeterliche Ordnung) ist damit eine voellig unzureichende Bezeichnung, die eher verwirrt denn Klarheit schafft; sie ist vom Charakter her nicht anderes als ein feministischer Kampfbegriff, ein Mittel der Propaganda. Interessant ist auch, dass dieses 'Patriarchat' nicht bloss an einem Ort auf der Welt entstanden ist und hernach exportiert wurde sondern sich an mehreren Orten unabhaengig voneinander entwickelte; ueberall, wo wir sogenannte Hochkulturen ausmachen, setzte sich eine Hierarchie durch, die in krassem Gegensatz zu Schwarzers Matriarchatsphantasmagorien steht.

Dann musst Du ja fast zwangsläufig die Wichtigkeit des biologischen Vaters abstreiten!

Wichtigkeit wofür?
Für die Herstellung - die ist ja bereits erfolgt. Vermutlich von mir.
Für die weitere Entwicklung - stimmt, dafür ist nur noch der soziale Vater wichtig, der mit dem biologischen Vater identisch sein kann, aber nicht muß.

Konsequent waere es natuerlich gewesen, wenn das auch Eingang ins Erbrecht und die Unterhaltspflicht gefunden haette. Aber dort wird natuerlich weiterhin an der Bedeutung der biologischen Vaterschaft festgehalten.

Der soziale Vater wird (im Gegensatz zum biologischen Vater) von der Mutter ernannt - und kann natuerlich auch jederzeit wieder von ihr abgesetzt werden. Die (ideologische) Gleichstellung zwischen biologischem und sozialem Vater hat in der Realitaet bislang eher zu einer skrupellosen Austauschpraxis gefuehrt, als dass der soziale Vater unabhaengig von den muetterlichen Beduerfnissen aber im Sinne der kindlichen Beduerfnisse seine Vater/Kind-Beziehungen ausleben durfte. Das Recht zu gelebten Bindungen zwischen sozialem Vater und Kind fand denn auch erst in allerjuengster Zeit ueberhaupt Eingang ins Gesetzbuch. Angesichts der weit verbreiteten Praxis, biologische Vaeter mit Hilfe oder stillschweigender Billigung des Gesetzes abzusaegen, sollte man(n) sich ueber die Wirksamkeit dieses Gesetzes jedoch keinerlei Illusionen hingeben; der biologische Vater hat ja schon lange das Recht auf eine gelebte Beziehung zu seinem Kinde auch nach Trennung/Scheidung (Bindungstoleranz) - bloss geholfen hat das bisher den wenigsten biologischen Vaetern, die ruecksichtslos entsorgt wurden...

Es ist also existenziell, dass auch Männer sich solidarisch und offensiv dem Kampf gegen die Männergewalt anschließen. amnesty fordert nicht nur Konsequenzen auf globaler, internationaler, nationaler und lokaler Ebene, sondern wendet sich auch ganz explizit an jeden Einzelnen, vor allem an die Männer.

Das Problem ist, dass unterschieden wird zwischen Maennergewalt und Frauengewalt, wobei letztere bei ai schlichtweg irrelevant zu sein scheint. Auch in der ai-Kampagne wurde somit getreu dem feministischen Opferparadigma zwischen Frauen (=Opfer) und Maennern (=Taeter) unterschieden und das maennliche Geschlecht ganz eindeutig mit dem negativ besetzten Wort 'Gewalt' konnotiert. Konsequenz: es wird suggeriert (ob bewusst oder nicht), dass 'Maennergewalt' sozusagen von allen Maennern gegenueber Frauen ausgeuebt wird und damit eine Kollektivschuld aller Maenner ist; darauf deutet auch hin, dass ai Frauen in allen Kulturkreisen durchwegs als Opfer dieser 'Maennergewalt' ansieht - die westliche Frau mit all ihren Freiheiten ebenso wie die Muslimin in einer quasi-theokratischen Gesellschaft. Durch die unkritische Uebernahme des pauschalen feministischen Kampfbegriffs 'Maennergewalt' wird aber genau jener Graben aufgerissen, den ai (angeblich) gar nicht aufreissen will. Ich frage mich deshalb schon, weshalb diese Organisation anstatt einfach zum 'Kampf gegen Gewalt' zum 'Kampf gegen Maennergewalt' aufruft - insbesondere, da ja die meisten Gewaltopfer nachweislich ebenfalls Maenner sind. Mit derselben Berechtigung haette ai auch zum Kampf gegen 'Gewalt AN Maennern' aufrufen koennen; ein solcher feministisch-politisch unkorrekter faux-pas ist allerdings aeusserst unwahrscheinlich.

Ohne Gleichberechtigung keine Gewaltfreiheit; ohne Ächtung der sexuellen Gewalt keine Ächtung der allgemeinen Gewalt; ohne Ende des Geschlechterkrieges kein Ende der Kriege.

Klingen huebsch, diese apodiktischen Behauptungen; sie gehen aber am Kern des Problems voellig vorbei. Die Neigung zur Gewalt (Agressivitaet) ist Teil unserer Biologie; wie diese Neigung beherrscht, kanalisiert und ausgelebt wird, ist eine Frage der Erziehung. Eine Erziehung vermag zwar vieles, sie vermag jedoch keine Wunschmenschen zu zuechten, die jederzeit voellig gewaltlos handeln. Eine gewaltfreie Gesellschaft ist darum ein nie auch nur annaehernd zu erreichendes Ideal. Eine gewaltfreie Gesellschaft (so es sie gaebe) waere vielmehr zwangslaeufig auch eine entmenschlichte Gesellschaft in der 'negative' Emotionen (z.B. Eifersucht, Wut, Enttaeuschung, Hass, Habsucht, Neid etc.) keinen Platz haben duerften, weil diese haeufig - wenn auch keineswegs in jedem Fall zwingend - Ausloeser von Gewaltausbruechen sind.

Psychologisch interessant ist die von Dir aufgefuehrte 'sexuelle Gewalt', die in Deinem Weltbild eine Sonderstellung einzunehmen scheint - immerhin ist sie die einzige konkrete Gewaltform, die Du oben nennst. Verschiedene Arten von Gewalt sind jedoch vielfaeltig miteinander verknuepft. Sexuelle Gewalt hat zumindest fuer mich keine herausragende Bedeutung, sie reiht sich vielmehr nahtlos in alle anderen moeglichen Gewaltformen ein und steht in Wechselwirkung zu diesen. Welche Gewaltformen mit welcher Intensitaet in einem bestimmten betrachteten System zur Anwendung kommen, ist IMHO sehr unterschiedlich. Ich bin ueberzeugt, dass jedes Gewaltsystem seine ganz individuelle Kombination aufweist - aehnlich einzigartig wie ein Fingerabdruck. Diese systemische Sicht auf Gewalt wurde bislang leider noch kaum erforscht, weshalb sich gerade im Bereich 'Haeusliche Gewalt' besonders viele (feministische) Scharlatane tummeln. 'Sexuelle' bzw. 'sexualisierte' Gewalt ist dabei eine jener feministischen Worthuelsen, die gedankenlos auf Maenner abgeschossen werden, weil sie (oberflaechlich betrachtet) die feministisch-sexistische Gewaltdoktrin der Aufteilung in maennliche Taeter und weibliche Opfer grossmehrheitlich zu bestaetigen scheint. Unter diesem Aspekt ist auch die massive Rhetorik zur Aechtung und besonderen Daemonisierung gerade dieser Gewaltform zu betrachten: 'sexuelle Gewalt' wird dann oftmals bis zur Absurditaet kuenstlich aufgeblasen, und dann ist es gar nicht mehr moeglich, diese spezielle Gewaltform in irgendeine Relation zu anderen Gewaltformen zu stellen; Rigorismus feiert hier froehliche Urstaend.

Die Neigung zur Gewalt (selbst sexueller Gewalt) ist im uebrigen keine Besonderheit bloss des Menschen. Durch seine ueberragenden intellektuellen Faehigkeiten ist er jedoch in der Lage, sein Gewaltanwendungsvermoegen zu buendeln und auf bestimmte Ziele auszurichten - was in der Tat verheerende Wirkungen hervorrufen kann.

Gruss

Maesi


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