Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Hierarchien verändern sich - und bleiben doch !

Bonaventura, Friday, 12.05.2006, 23:39 (vor 6530 Tagen) @ Paul

Als Antwort auf: Re: Ordnung (von Dschuang Dsi) von Paul am 12. Mai 2006 19:14:

"Absolut nichts in der Natur ist statisch: Arten entstehen und sterben aus, Verhaltensweisen von Menschen entwickeln sich und sterben wieder aus, Gesellschaftsformen entstehen und vergehen... die Kultur unterliegt letzlich genauso einer Evolution wie die Natur. Dazu gehört logischerweise, dass auch "Irrwege" beschritten werden - anders ist Fortschritt nicht denkbar!"

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Völlig richtig.

Aber worauf es hier wohl ankommt, ist dieses: Hierarchien wechseln ihre Elemente, Inhalte, Kraftpole usw. Aber Hierarchien als solche verschwinden nicht, weder als Denk-Kategorien (wie könnte wir sonst die Wirklichkeit gedanklich ordnen ?) noch als Seins-Wirklichkeiten.

Es ist klar - Klausz weiß es sicher auch - daß es verschiedene Gesellschaften gab und gibt, und daß z.B. während des Frühkapitalismus Frauen (und Kinder !) genauso malochen mußten wie Männer. Das alles brauchen wir hier nicht zu erörtern.

Wir müssen also die Sache differenziert sehen. Dazu gehört aber auch die Einsicht, daß nicht alles den gleichen Veränderungen unterworfen ist. In der Mode gibt es zweimal jährlich große Veränderungen. Rollenverständnisse verändern sich schon langsamer. Und die Geschlechter-Dichotomie verändert sich, d.h. nivelliert sich auf Jahrtausende hin sicher nicht so schnell; da nivellieren sich gegenwärtig eher die Hautfarben.

Die entscheidende Frage ist wohl eher: Gibt es nicht-rollengeprägte, also im strengen Sinne "natürliche" Geschlechter-Unterschiede ? Wenn es sie gibt, dann gibt es sie seit mehr als 500.000 Jahren, da hat Klausz zweifellos recht. Aber mir scheint, gewisse Diskutanten hier leugnen - unausdrücklich - den originären Geschlechter-Gegensatz. Ich weiß nicht, wie sie das kulturgeschichtlich begründen wollen (bitte keine Biologie, nein, danke !).

Wenn es diesen natürlichen Unterschied gibt - das meint Klausz, und darin stimme ich ihm zu -, so heißt das freilich noch nicht, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse ihrerseits natürliche Verhältnisse zulassen. Frauen gehören heute nicht an den Herd. Sie sind in die Lage gebracht worden, die Rolle, in der sie sich naturgemäß am besten entfalten könnten, zu mißbrauchen. Jetzt liegt es an uns Männern, sie von uns fernzuhalten und dort zu belassen, wo sie hinwollten.

So seltsam es klingt: für natürliche Verhältnisse besteht augenblicklich keine Grundlage - aus gesellschaftlichen Gründen. Diese müssen verändert werden. Das geht auch. Natürliche Verhältnisse können nicht verändert werden. Sie können und müssen nur manchmal suspendiert werden.

Gruß, Bonaventura

Die Anspielung auf den Kommunismus ist eben nicht daneben, sondern ziemlich passend. Rein oberflächlich betrachtet ist der Kommunismus zwar "progressiv", zumindest in der Hinsicht, dass er eine neue Ordnung zu etablieren sucht, welche er als "Idealzustand" begreift. Die Richtigkeit dieser Ordnung wird zwar nicht als gottgegeben angesehen, aber "wissenschaftlich" begründet. Da diese Ordnung der Idealzustand ist, muss alles darauf hinauslaufen, ist er erst erreicht, ist das "Paradies" da, ab diesem Punkt ist keine Entwicklung mehr nötig. Und genau das ist WIRKLICH WIDERNATÜRLICH, da diese Form von Entwicklung nirgendwo in der Natur zu finden ist. Es ist übrigens vollkommen gleich, ob man einer am Reisbrett geplanten Utopie hinterherhechelt oder eine "alten Ordnung": Da die Umgebungsvariablen sich ständig ändern, ist die Umsetzung sowohl einer geplanten Utopie als auch sogenannten "alten Ordnung" als Gesellschaftsmodell letzlich ein Schuss ins Blaue und nichts anderes als ein sehr gewagtes Gesellschaftsexperiment. Und davon hatten wir im 20. Jahrhundert wirklich schon genug. Über hundert Millionen Tote reichen.
Übrigens: Wenn KlausZ "natürliche Ordnung" wirklich so überlegen ist, warum fordert er dann implizit Zwang? Es wäre durchaus plausibel, daß, sobald der Einfluss des Staates komplett wegfiele, sich infolge des globalen Wettbewerbs der verschiedenen Gesellschaftsmodelle die von KlausZ favorisierte Ordnung automatisch durchsetzt. KlausZ scheint kein groses Vertrauen in die "Natürlichkeit" und Überlegenheit seiner Idealgesellschaft zu haben. Oder sehe ich das falsch?
Gruss,
Paul


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