Zwar bin ich nicht der offizielle Sprecher der Gewerkschaft ‚Öffentliche Dienste, Humor und Verkehr’ (ich bin auch nicht unglücklich, dass es die gar nicht gibt), ich möchte dennoch bei meinem kleinen Rundschlag mit einem Versuch zur Ehrenrettung des Witzes anfangen. Als Witzexperte möchte ich mich nicht bezeichnen, aber da ich schon öfter mit witzigen Texten auf der Bühne stand und dafür Geld gekriegt habe, kann ich das professionell halten, zumindest semiprofessionell.
Eine kleine Warnung vorweg: Was ich über den Herrenwitz sagen werde, ist nicht lustig. Ich vermute sogar, dass ein paar scharfe Töne, die später noch dazukommen, bei einigen Lesern einen regelrechten Aufschrei auslösen können, ich höre ihn schon vor meinem geistigen Ohr: „So kann man das aber nicht sagen! Also, das geht gar nicht!“
Ich spreche mir sicherheitshalber Mut zu und pirsche mich langsam an das Thema heran. Was ist passiert? Uns wurde in dem jüngsten „Schwesterle-Skandal“, wie ich ihn zur Abwechslung nennen möchte, eine eigenartige Perversion vorgeführt. In dem Aufschrei um „Herrenwitz“ und „Sexismus“ wurden zwei Güteklassen von Witzen miteinander vertauscht: „Herrenwitze“ und „Männerwitze“.
„Na und?!“ Hier mag vielleicht schon so manche Frau aufschreien: „Die sind doch alle gleich.“ Nein. Männer sind nicht gleich. Witze auch nicht. Es ist keine Kleinigkeit. Es ist kein formaler, sondern ein grundsätzlicher Unterschied. Wenn man die beiden Witzsorten verwechselt, dann verdreht man bei der Gelegenheit – das soll jetzt keine sexistische Bemerkung sein – auch die „Stoßrichtung“, man vertauscht Subjekt und Objekt, man verwechselt Täter und Opfer. Eben das meine ich mit Perversion. Herrenwitze sind nämlich nach Tätern – den Subjekten – benannt, was noch nichts über die Witze selber aussagt; Männerwitze dagegen sind nach Opfern – den Objekten – benannt, was sehr wohl etwas über die Witze aussagt.
Ein paar Beispiele für Männerwitze: „Was ist der Unterschied zwischen einem Schlips und einem Ochsenschwanz? Der Ochsenschwanz verdeckt das ganze Arschloch.“ Oder: „Was ist der Unterschied zwischen einem Mann und einer Katze? Das eine ist ein verfilzter, fauler Fresssack, dem es egal ist, wer ihm das Essen bringt. Das andere ist ein Haustier.“ Oder: „Wie nennt man einen Menschen ohne Gehirn? Mann.“
Es reicht – oder? So sind heute die wahren sexistische Witze, in denen allein aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit das gesamte Geschlecht ¬–¬ und zwar das männliche – pauschal gedemütigt, beleidigt, erniedrigt und niedergebügelt wird, ohne dass es dafür eine Berechtigung gäbe. Es sind eigentlich gar keine Witze. Es gibt auch nichts zu lachen. Hier werden bekannte Witzmuster missbraucht, um aufzuwiegeln und Misandrie zu verbreiten.
Kaum habe ich das aufgeschrieben, schon lese ich, dass Harald Martenstein das auch getan hat und dabei auch denselben Witz – den mit dem Ochsenschwanz – bemerkt hat. „Zwei Dumme, ein Gedanke“, sagten wir früher auf dem Land. Ich will den Gedanken weiterspinnen. Ich habe mich nämlich schon so manches Mal gefragt: Wer denkt sich solche Witze aus? Ist es wirklich der Volksmund mit seiner gefürchteten großen Klappe oder werden solche Witze lanciert? Sexistische Witze, die diesen Namen auch verdienen – darauf hatte schon Matthias Matussek hingewiesen –, finden wir beispielsweise in der ‚Emma’, die alte Judenwitze zu neuen Männerwitzen umschreibt: „Was ist ein Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem.“
Es ist zumindest kein Problem für Alice Schwarzer. Wenn sie – wie jüngst wieder geschehen – in einer Talkshow zum Thema „Herrenwitze“ auftritt, muss sie nicht fürchten, dass man sie auf die widerwärtigen „Männerwitze“, die sie zu verantworten hat, anspricht. Da unterscheiden wir. Männerwitze stehen nicht in der Kritik, sondern Herrenwitze.
Besonders der „Herrenwitz“ von Rainer Brüderle. Von wem geht die Kritik diesmal aus? Von einer Reporterin vom ‚Stern’; von einem Magazin also, das im Volksmund „Titten-Blatt“ genannt wird, ihm flattert der Mundgeruch der Schamlosigkeit voraus wie eine Alkoholfahne. Da muss jeder vorsichtig sein und mit einer Falle rechnen, ein Mann besonders. Einmal wurde Peter Handke von einer ‚Stern’- Reporterin gefragt, wie er seine Rolle in der Gegenwartsliteratur … Quatsch. Er wurde gefragt, ob er schon mal im Puff war. Was erwarten wir denn vom ‚Stern’? 1983 brachte das Blatt auf dem Cover eine Collage von nackten Brüsten zu der Schlagzeile: FRAUEN SPRECHEN ÜBER IHRE BRÜSTE. Nun schickt das Blatt so eine Frau an die Bar, die den neuen Fraktionsvorsitzenden der FDP anmacht: „Na? Können Sie auch was dazu sagen, oder sind Sie schon zu alt dafür?“
Wie im Himmel, so auch auf Erden
Vielleicht war es auch anders. Ich war nicht dabei. Doch ich denke, dass sich Herr Brüderle angemessen verhalten hat und sich gegenüber einer anderen Frau mit einer anderen Interessenslage anders verhalten hätte. Dass er sich Frau Himmelreich gegenüber so verhalten hat, wie es uns beschrieben wurde, heißt ja noch lange nicht, dass er sich gegenüber allen anderen Frauen auf Erden genauso verhält. Warum sollte er auch? Er verhält sich bestimmt einer Striptease-Tänzerin gegenüber anders als gegenüber einer Nonne. Deshalb hat der Fall auch keine Bedeutung, die über das hinausgeht, was der ‚Stern’ daraus machen will.
Heiner Geissler war auch nicht dabei, er weiß aber mit der Selbstsicherheit eines Rambos, dass es sich bei dem Verhalten von Herrn Brüderle um eine „Sex Attacke“ gehandelt hätte. Gegen Frauen im Ganzen. Was der so alles weiß! Ich fürchte, dass ihm die Mitgliedschaft bei ATTAC nicht gut tut und dass er nun die Begriffe verwechselt. Wer greift hier wen an? Geissler attackiert Brüderle, der vorher vom ‚Stern’ attackiert wurde. So würde ich sagen. Zur Erinnerung an alle, die in einem simplen Schwarz-Weiß-Schema denken: Weiß fängt an.
Wodurch wurde Troja erobert? Durch die List des Odysseus. Im Unterschied zu anderen Erfindungen oder Entdeckungen wurde das „trojanische“ Pferd jedoch nicht nach seinem Erfinder benannt, sondern nach denen, die darunter zu leiden hatten. Bei dem „Trojaner“, den wir von unserem Computer kennen (oder eben gerade nicht kennen) wird es noch deutlicher: Der gefürchtete Virus müsste eigentlich „Grieche“ heißen.
So ein Vexierspiel finden wir auch hier: Das Opfer wird als Täter hingestellt. Männer sind nicht die Täter, sondern die Opfer von Sexismus. Auf denen kann rumgetreten werden. Sie haben es nicht besser verdient. Wir wissen ja, wie sie sind, und das wissen wir von den Männerwitzen. „Was ist der Unterscheid zwischen einer Fliese und einem Mann? Es gibt keinen: Wenn man ihn erstmal flachgelegt hat, kann man ein Leben lang auf ihm rumtrampeln.“ Die Männer sind die Dummen. Auch hier. Wenn jemand wegen „sexistischer Äußerungen“ zur Kasse gebeten wird, seinen Job verliert oder wenn ihm die Karriere ruiniert wird, dann ist es immer ein Mann. Die Männer sind alle aus Troja.
Die ‚Stern’-Journalistin zitiert ihr Opfer und macht es so geschickt, dass der Eindruck entsteht, der ältere Herr würde sich zwielichtig ausdrücken. Doch ich vermute, dass sie in Wirklichkeit selber eine Virtuosin der Doppeldeutigkeit ist; denn sie zitiert aus dem Gedächtnis und da wissen wir nicht, ob sie das auch korrekt tut. Sie schreibt es schließlich auf und hätte spätestens beim Korrekturlesen die Möglichkeit gehabt, sich über Subjekt und Objekt Klarheit zu verschaffen. Doch das wollte sie vielleicht gar nicht. Jedenfalls legt sie Herrn Brüderle folgende Worte in den Mund: „Politiker verfallen doch alle Journalistinnen.“
Es gibt zwei Möglichkeiten, daraus einen richtigen Satz zu machen. Es käme darauf an, an welcher Stelle ein „n“ hinzugefügt wird. Entweder heißt es: „„Politiker-n verfallen doch alle Journalistinnen“, dann sind es die Journalistinnen, die verfallen. In dem Fall wäre sie angesprochen. Oder es heißt: „Politiker verfallen doch alle-n Journalistinnen“, dann verfallen die Politiker, und er würde über sich reden. Wer verfällt? Wer ist das Opfer? Über wen wird pauschal geurteilt? Wohin gehört das Wörtchen „alle“? Zu den Politikern oder den Journalistinnen?
Der Zaubertrick mit dem Wort mit doppeltem Boden
Der größte Bluff besteht jedoch darin, dass die Kampagne unter der falschen Flagge „Herrenwitz“ segelt. Es geht nicht um Witze. Es hat allerdings dazu geführt, dass sich wohlmeinende Frauen und Männer auf einem bedeutungslosen Nebenschauplatz zu Wort gemeldet und Vorschläge gemacht haben, wie sich eine Frau „würdevoll“ oder angemessen mit Gegenwitzen oder Ohrfeigen „erwehren“ kann, als ginge es darum, Tipps für ein Flirtseminar für Fortgeschrittene zu geben oder für den Tanzkrus „Tango für Übergriffige“. Es geht in Wirklichkeit um die Herren. Besser gesagt: gegen die Herren. Martenstein erwähnt verwundert den Namen Loriot. Der ist doch ein „Herr“ mit guten „Witzen“. Wie passt das zusammen?
Was ist ein Herrenwitz? Wenn man im Internet nach Männerwitzen sucht, hat man Treffer en gros. Bei Herrenwitzen wird es mager, da finden wir einen müden „Klassiker des Herrenwitzes“ mit einem Krokodil und einer Oma aus der Harald-Schmidt-Show. Wie kommt’s? Der Unterschied zwischen einem Männerwitz und einem Herrenwitz ist derselbe wie zwischen dem Judenwitz und dem jüdischen Witz. Der jüdische Witz – wie auch der Herrenwitz – ist durch den Personenkreis gekennzeichnet. Es sind sehr unterschiedliche Witze, bei denen sich die Juden oder Herren mit sich selbst beschäftigen und in der Regel unter sich bleiben. Manche der Witze sind raffiniert, selbstironisch und eigentlich traurig. Manche nicht. Sie haben kein wirklich gemeinsames Thema (oder wenn, dann ist es weit gefasst), vor allem haben sie keine eindeutige Tendenz. Es sind echte Witze. Es ist nicht etwa plumpe, aggressive Propaganda, die versucht, sich als Witz zu tarnen.
Bei der Kampagne gegen den „Herren-Witz“ geht es gegen den ersten Teil des zusammengesetzten Wortes – gegen die „Herren“ – und es wird so getan, als wäre der zweite Teil des Wortes – der „Witz“ also – ein Beleg dafür, dass die Ablehnung berechtigt ist. Die Witzsorten werden vertauscht, man tut, als wäre der Herrenwitz per se sexistisch und dann wird der Männerwitz in den Zeugenstand gerufen, die Aussage ist eindeutig: Männer sind grundsätzlich minderwertig. Na also.
Hier liegt die Perversion: Die Boshaftigkeit, die einem selber zueigen ist, wird auf den anderen übertragen. Bitte, schreien Sie erst wenig später. Denken Sie noch kurz daran, wie sich der Männerwitz zum Herrenwitz und der Judenwitz zum jüdischen Witz verhält. Was passiert hier? Juden werden in Grund und Boden verdammt, und als Beweis für ihre Schlechtigkeit wird angeführt, dass die Judenwitze zutreffen und dass Juden rassistisch sind. Jetzt schreien!
Es ist ein Foulspiel. Die Sexismus-Debatte wird angezettelt von Leuten, die selber Sexisten sind, bei denen die geschlechtliche Zugehörigkeit im Mittelpunkt ihrer Selbst- und Fremdbilder steht und die ihr Geschlecht für das bessere halten. Sie können sich nicht vorstellen, dass andere Leute NICHT sexistisch denken. Deshalb wird uns die Debatte auch erhalten bleiben und noch weitere Blüten hervorbringen. Der Artikel von Frau Himmelreich ist selber ein einziger sexistischer Witz, über den man nicht lachen kann. Damit wird ein Mann – ein „Herr“ – pauschal mit der Wucht, wie wir sie von rassistischen und von sexistischen Witzen kennen, verdammt, ohne dass es dafür eine Berechtigung gibt. Es ist reine Hetze. So wie der Männerwitz keinen Grund braucht und auch keinen „wahren Kern“ haben muss (Männer haben in Wirklichkeit ein Gehirn), so braucht auch sie keinen Beleg.
Es ist ganz egal, was Herr Brüderle gemacht hat. Ob er gesagt hat, dass er ihr verfällt oder sie ihm verfallen solle. Egal. Ob der Handkuss – immerhin eine Demutsgeste – ironisch oder ernst gemeint war. Egal. Er hätte auch sagen können, dass ihr ein Dirndl vermutlich nicht stehen würde. Es kommt nicht darauf an. Vielleicht kann er nicht einmal tanzen. Er hätte auch sagen können: „Ich glaube, Sie könnten gut Wanderwege markieren.“ Er kann machen, was er will: Es ist immer falsch. Mehr noch: Es ist böse. Er wird nicht für sein Verhalten verurteilt, sondern dafür, dass er ein Mann ist. Das ist ja gerade der „Witz“ bei solchen „Witzen“. Neuerdings ist so eine kollektive Schuldzuweisung, wie wir sie aus dunklen Tagen in Erinnerung haben, wieder möglich. Männerwitze haben den Boden dafür bereitet.
Bettina Röhl, selber Journalistin, hat den Artikel von Frau Himmelreich als „Null-Nummer“ bezeichnet. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Es ist eine „Minus-Nummer“. Nicht nur dass er keinen wahren Kern hat (und sei er noch so klein), er ist im Kern falsch.
Ob es uns lieb ist oder nicht: Brüderle ist ein gewinnender Typ. Es ist eben nicht so ein unglücklicher Fall wie beispielsweise Georg der VI., der zwar König war, aber einer, den man nicht gut vorzeigen konnte (er stotterte). Brüderle hat es zum Parteivorsitzenden gebracht (und zwar nicht durch Erbfolge), gerade weil man ihn bei jeder Gelegenheit gut vorzeigen konnte, weil er sich in unzähligen Diskussionen, in Talkshows und an Bars bewährt hat. Weil es in seiner Partei viel mehr Leute gibt, die ihn mögen als welche, die das nicht tun. So muss es sein. Sonst wäre er nicht da, wo er ist. Frau Himmelreich hätte, um ihr Urteil mit Substanz anzureichern, eine Umfrage machen können … nein, das nehme ich zurück. Ich hatte einen Moment lang nicht daran gedacht, dass sie für den ‚Stern’ schreibt.
Ich hatte auch vergessen, dass sie selber zu den Sexisten gehört, die gerne die Waffe des Propagandawitzes nutzen und nichts daran finden, einen Menschen aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit zu diffamieren. Der Artikel verrät mehr über ihre Lust an der Denunziation als über das Verhalten von Herrn Brüderle. Nicht nur über ihre Lust. Auch über die einer aufschreienden Menge von Frauen aus dem Hinterhalt. Sie bezeichnen das Gespenst, das hier umgeht, als „Neuen Feminismus“ oder „Dritte Welle“ … jetzt muss ich aufpassen. In Zeiten nach Guttenberg und Schavan kommt es verschärft auf die Anführungsstriche an. Ich betone daher sicherheitshalber, dass die folgenden Ausdrücke nicht mein geistiges Eigentum sind, sondern lediglich Zitate. Also: Sie nennen es zwar selber so, wie ich vorhin gesagt habe, von außen stehenden Beobachtern wiederum wird es „Verdammungsfeminismus“ genannt, „Geschlechterrassismus“ oder „Femi-Faschismus“. Quellenangaben erwünscht?
„Ich liebe alle Frauen“, sagte Nina Hagen. Ich bin da wählerischer
Das Heimtückische an dem „#Aufschrei“ ist, dass uns eine „bunte Mischung“ aus Banalitäten und strafbaren Handlungen aufgetischt wird und die aufschreienden Frauen nicht unterscheiden wollen – oder nicht können. Um ihr Vorgehen zu spiegeln, tue ich jetzt so, als würde ich auch mal schreien: „Verkehrsteilnehmerinnen sind eine Zumutung geworden und es wird Zeit, eine notwendige Debatte anzustoßen. Frauen nehmen einem die Vorfahrt, sie parken falsch und verursachen Unfälle mit Verletzten und Toten, man muss sich nur mal die Zahlen ansehen …“
Hier habe ich zwei Fehler gleichzeitig gemacht: Ich habe Frauen und Männer getrennt betrachtet und dermaßen verallgemeinert, dass ich Alltägliches zu einer Ungeheuerlichkeit hochgejazzt habe. Das ist der „Doppelfehler“ – wie Boris Becker atemlos gesagt hätte –, der dem Rassismus zugrunde liegt: falsch trennen und falsch verallgemeinern. Das ist der Trick. So erklärt beispielsweise Albert Memmi das rassistische Muster und fügt hinzu, dass es auch für Sexisten gilt. Schlimm. Wer macht denn sowas?
Eine Zwischenbemerkung: Ich bin nicht gegen Frauen – im Gegenteil. Ich will aber auch nicht sagen, dass ich „die“ Frauen liebe; meine Liebe gilt nur wenigen, eine Verallgemeinerung würde meine Liebe sogleich ins Lächerliche kippen lassen. Ich bin auch nicht primär gegen den Feminismus, nehme ihm aber die Anmaßung übel, für „alle“ Frauen zu sprechen, und ich fürchte, dass dieser leidige Zwang zur Verallgemeinerung ein Geburtsfehler des Feminismus ist. Ich bin allerdings – wie so viele – gegen Rassismus. Deshalb will ich auch wissen, wie Rassismus „funktioniert“, was er für ein „Strickmuster“ hat. Als jemand, der Frauen wohlwollend sieht, sehe ich es nun besonders ungern, wenn sie rassistisch stricken. Da merke ich, dass ich doch gegen Feminismus bin. Oder kann mir jemand erklären, dass der Feminismus, wie er sich heute darstellt, etwas anderes ist als Rassismus im modischen Kostüm?
Natürlich habe ich mitgekriegt, dass sich der Feminismus entwickelt hat und dass Alice Schwarzer mega-out ist. Frauen von heute, heißt es, fühlen sich von ihr schon lange nicht mehr vertreten. Aber wohin hat er sich entwickelt? Die neue Generation – vertreten durch Schlampenparaden, Quotenfrauen, schreiende Frauen, oder barbusige ‚Femen’, die am Eingang der Herbertstr. in St. Pauli den Spruch „Arbeit macht frei“ hinterlassen – weist dummerweise denselben harten Kern auf, der schon bei ihrer Vorkämpferin zu erkennen war, als sie aus Judenwitzen Männerwitze machte. Sie machen denselben Doppelfehler. Vielleicht kann mir mal jemand, der sich für anti-rassistisch und pro-feministisch zugleich hält, erklären, ob man das auch anders sehen kann.
Non Stop Sexismus Show. Nur für Mitgliederinnen
Die ganze Nation diskutiert nun angeregt über Sexismus. Aber weiß die Nation überhaupt, wovon sie redet? Was ist denn Sexismus? Nach meiner Auffassung ist es die Anwendung des rassistischen Doppelfehlers bei angemaßter Überlegenheit aufgrund des Geschlechtes. Wer weiß es besser? Wenn wir bei Wikipedia nachschauen, werden wir nicht schlauer. Da müssen wir nicht nur genau hingucken, sondern immer wieder mal. Da ändert sich die Definition nämlich gelegentlich. Und nun? Hadmut Danisch ist Informatiker. Er sieht die Sache nüchtern, er meint, dass es Sexismus eigentlich gar nicht gibt. Er schreibt:
„Sexismus ist nicht das Belästigen oder Benachteiligen der Frau, Sexismus ist das MACHEN der Frau. Deshalb gilt es schon als ‚sexistisch’, wenn ein Mann einer Frau die Tür aufhält, in den Mantel hilft oder in den Ausschnitt schielt, weil das Verhaltensweisen seien, die Verhaltensweisen und Rollen ‚konstruieren’ und verfestigen, aus denen die Geschlechter erst hervorgehen. Sexismus ist damit jede beliebige Verhaltensweise, bei der man Männer und Frauen unterschiedlich behandeln würde …“
Damit ist er nah an dem, was wir bei Wikipedia finden. So ist das also. Deshalb gilt auch der galante Handkuss als sexistisch. Mancher, der bisher gedacht hatte, eine Bemerkung vom Kaliber wie „Leck mich!“ wäre unanständig, anzüglich und ein fauxpas wundert sich: „Auch das noch! Die lassen einem aber auch gar nichts.“ Was Brüderle vorgeworfen wurde, war ja auch – wie man so schön sagt – „alles und nichts“. Und so geht es in dem Blog ‚Ansichten eines Informatikers’ weiter:
„Ziel und selbsterklärte Aufgabe des Feminismus ist, die Erfindung der Frau rückabzuwickeln und Frauen wieder zu neutralisieren. In Gender-Sprache heißt das ‚Geschlechterrollen zu dekonstruieren’. Deshalb empfindet man alles, was sich auf diese Rollen bezieht, als kontraproduktiv, reaktionär, unterdrückungsverfestigend, weil es der Dekonstruktion im Wege steht und an den Rollen festhält. Das nennt man ‚sexistisch’. Das hört sich bescheuert an. Ist es auch. Es ist frei erfundener Blödsinn. Wie aus Trash-Science-Fiction.“
Leider ist der Blödsinn nicht harmlos. Denn mit der Erfindung des „Sexismus“ wurde ein neuer Straftatbestand für Männer geschaffen. Noch eine Zwischenbemerkung: Ich will Herrn Brüderle nicht verteidigen, meine Sympathie für die FDP hält sich in überschaubaren Grenzen, aber was hier für ein Beschuldigungswütigkeit abgeht, lässt mich frösteln. Kläger spielen sich mit der explosiven, „bunten Mischung“ zugleich als Richter auf, und die „Richter-Skala“ ihrer Vorwürfe ist „nach unten offen“.
Da sehe ich das Foto einer vorwurfsvoll dreinschauenden Frau mit der Parole RAPE IS CRIME auf ihren nackten Brüsten. Zu den Brüsten sage ich vorsichtshalber nichts, zu der Parole kann ich nur sagen: „Stimmt!“ Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Da sind wir uns einig. Warum können wir trotzdem nicht Freunde werden? Weil sie hinterhältig und gemein ist. Mit ihren nackten Brüsten unterstellt sie meinem Blick Lüsternheit – „Sein Blick wanderte auf meine Brüste“ – und damit bin ich schon einen Schritt in Richtung Vergewaltigung gegangen. Die wahre Perfidie ihrer Botschaft besteht jedoch darin, dass sie tut, als müsste sie mir überhaupt erstmal mitteilen, dass Vergewaltigung ein Verbrechen ist, als wüsste ich es nicht selber und würde es nicht genauso wie sie als Verbrechen ansehen.
Das tue ich aber. Und „die“ Männer tun es auch. Ihre Ächtung ist gnadenlos: Wer Kinder geschändet oder Frauen vergewaltigt hat, sollte die Gefängniszelle besser nicht verlassen. Ihm wird deutlich gemacht, dass er nicht nur aus der Gemeinschaft der Häftlinge ausgeschlossen ist, sondern auch aus der „Gemeinschaft der Männer, in der Männlichkeit noch etwas gilt“ – ein Ausnahmefall: normalerweise kann man „die“ Männer nicht so leicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
Die Ächtung spiegelt sich auch in den (von Männern gemachten – die machen ja sowieso alles) Gesetzen. Da sitzt ein Mann fünf Jahre im Gefängnis wegen einer Vergewaltigung, die keine war. Eine Frau dagegen sitzt vier Jahre für die Ermordung von zwei Kleinkindern, die tatsächlich tot sind. Was Alice Schwarzer dazu meint, ist bekannt. Sie meint, dass „alle“ Männer „Vergewaltiger“ sind und fordert Straffreiheit für Mütter, die in ihrer emotionalen Notlage ihre Kinder umbringen. Nach der Geburt wohlgemerkt.
Vor diesem Hintergrund leuchtet das Schlagwort „rape-culture“ erst so richtig auf. Was für ein Wort: Vergewaltigungs-Kultur. Es ist eine niederträchtige Unterstellung, zu behaupten, Männer würden Vergewaltigung als „Kultur“ angesehen. Sind es nicht vielmehr Frauen, die uns hier eine „Beschuldigungs-Unkultur“ präsentieren, was schon damit anfängt, dass sie Kultur nicht von Kulturlosigkeit unterscheiden? Wer ist denn hier die Kulturbanausin? Warum gibt es keinen Aufschrei gegen den Missbrauch des Wortes „Kultur“? Warum schreien jetzt nicht alle Künstler, alle „Kulturschaffenden“ und alle, die „Kulturwissenschaft“ studiert haben? Weil sie kultiviert sind und nicht bei jeder Gelegenheit schreien. Darum.
Auch bei „sexistischer “ oder „häuslicher Gewalt“ gibt es keinen Grund zu schreien. Wir müssen uns auch nicht streiten. Auch wenn immer wieder Kampagnen gegen „Gewalt gegen Frauen“ uns zu einer einseitigen Wahrnehmung verpflichten wollen, der Befund (den jeder selber googlen kann) ist eindeutig: Gewalt geht von Männern und Frauen gleichermaßen aus. Dazu ein Witz, der insofern als Herrenwitz gelten kann, weil darin die eigene Lage thematisiert wird: „Sagt ein Mann zu einem anderen: Hast du schon mal eine fliegende Untertasse gesehen? Nö, sagt der, seit meiner Scheidung nicht mehr.“
Häusliche Gewalt richtet sich genauso gegen Männer. Als prominentes Opfer hat sich jüngst ausgerechnet Roger Moore geoutet, der besonders unter seiner zweiten Ehefrau zu leiden hatte, die – als sie meinte, er würde ihr nicht richtig zuhören – ihm die Gitarre aus der Hand riss und auf ihm zertrümmerte. Sie hatte nichts zu befürchten. Er hätte unmöglich zur Polizei gehen und das anzeigen können: „Mein Name ist Bond, James Bond!“ Um die Gitarre tut es mir allerdings schon irgendwie leid.
Es wurde aber der Mythos des gewalttätigen Mannes geschaffen – ein konstruiertes Bild, das nicht aus der Wirklichkeit abgeleitet, sondern aus selektiver Wahrnehmung entstanden ist. Mit dem so genannten Gewaltschutzgesetz wurde dann eine Regelung geschaffen, die es Frauen ermöglicht, Männer des Hauses zu verweisen und mit Hausverbot zu betrafen (der Gesetzgeber empfiehlt ihm in dem Fall ein Obdachlosenasyl), allein schon wenn sie sich bedroht fühlt. Er muss nicht zuschlagen, es reicht, wenn sie den Eindruck hat, dass er es tun könnte. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, dass Männer zu Unrecht bestraft werden. Das werden sie dann auch. Nun haben wir unschuldig bestrafte Männer. Die Dunkelziffer ist enorm. Damit hat sich auch die Zahl der Fälle von Männergewalt enorm vergrößert. Die Dunkelmänner lauern überall.
Die Unschuldsvermutung wurde bei der Gelegenheit aufgehoben. Alice Schwarzer hat dann auch das Wort „Unschuldsvermutung“ zum Unwort des Jahres vorgeschlagen. Es siegte dann aber das „Opfer-Abo“. Nun sind jedenfalls die Schleusen offen; wir haben eine Beschuldigungs-Inflation. Sexismus – wohin das Auge wandert. Die Vorwürfe sind wie in Männerwitzen im wahrsten Sinne des Wortes bodenlos. Und woher kommen sie? Vom Ölweib.
Gottfried Keller erzählt in der Geschichte ‚Das verlorene Lachen’ von einem Helden, dem übel mitgespielt wurde, der sich schließlich in auswegloser Lage sieht, sich rächen möchte und weiß nicht wie. Da wird ihm bei einem Umtrunk als letzte Möglichkeit das Ölweib empfohlen. Wer oder was ist das Ölweib?, will er wissen:
„Das sei eine alte Frau, wurde ihm erklärt, die man so nenne nach der biblischen Witwe mit dem unerschöpflichen Ölkrüglein, weil ihr der gute Ratschlag und die üble Nachrede so wenig ausgehe wie jener das Öl. Wenn man glaube, es sei gar nichts mehr über einen Menschen vorzubringen und nachzureden, so wisse diese Frau, die in einer entlegenen Hütte wohne, immer noch ein Tröpflein fetten Öles hervorzupressen, denselben zu beschmutzen, und sie verstehe es, in wenigen Tagen das Land mit einem Gerüchte anzufüllen.“
Bernhard Lassahn