Tierschutz besser als Jungenschutz

Um die erfolglos verlaufene Angelegenheit endlich abzuschließen, hier zur Kenntnis der Text der Petition an den Deutschen Bundestag und dessen Antwort – die sich allerdings nicht auf diese, sondern auf eine ähnliche Petition bezieht.

Die Weigerung, Knaben den gleichen Strafrechts-Schutz gegen Verstümmelung zu gewähren, wie Mädchen, wird begründet mit der folgenden, nicht belegten oder begründeten Behauptung:

| Bei sachgerechter Handhabung durch einen Arzt werden körperliche
| Funktionen nicht auf Dauer beeinträchtigt. Insbesondere können
| beschnittene Männer uneingeschränkt sexuelle Lust empfinden und werden
| in ihrem Sexualleben nicht behindert.

Leider ist diese zentrale Behauptung falsch, zumindest wird sie von
fachkundiger Seite bestritten, z.B. hier

https://www.wgvdl.com/forum/Info/beschneidung.htm
Der Autor „Roslin“ ist Arzt.

Eine weitere gute Beschreibung zum Thema ist:
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/argumente-gegen-beschneidung/genitale-verstuemmelung-american-style.html

Die Bundesregierung findet Hundeohren schützenswerter wie die Geschlechtsteile von Jungen!
Tierschutzgesetz Par. 6
Kupieren von Hunde-Ohren ist auch bei Operation im Ausland strafbar
Tierschutz-Hundeverordnung (Pdf, 40kB)
Google-Suche Hundeohren+Kupieren

Hier folgt nun der Text der Petition. Anschließend die Antwort der Bundesregierung. (Die Petition wurde von der Bundesregierung nicht veröffentlicht. Hier der Schriftwechsel.)

Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Mädchen und Knaben gleichermaßen vor der Verstümmelung ihrer Genitalien geschützt werden.

Begründung

Mit der Drucksache 867/09 wird eine Strafrechtsänderung vorgeschlagen, mit der klargestellt wird, dass die Verstümmelung weiblicher Genitalien eine Straftat darstellt. Vorgesehen ist auch eine Verfolgung im Ausland.

So richtig und wichtig diese Initiative ist, so falsch ist es, Knaben den Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit zu verweigern.

Die gegen Mädchen-Beschneidung in der genannten Drucksache genannten Gründe treffen auch auf auf Knaben-Beschneidung zu:

„Entsprechende Eingriffe können durch religiöse, medizinische oder andere Vorstellungen, mit denen sie begründet werden, nicht gerechtfertigt werden. Sie stellen unabhängig von der Einwilligung der Betroffenen strafwürdiges Unrecht dar; die „Einwilligung“ oder gar Veranlassung durch die Sorgeberechtigten ist ein schwerwiegender Missbrauch des Sorgerechts.“

So wenig, wie die „milderen“ Formen der weiblichen Beschneidung tolerierbar sind, so wenig ist es akzeptabel, die sexuellen und nicht-sexuellen Empfindungen des Mannes durch die dauernde Freilegung der Eichel nachhaltig zu verändern, wenn er dem nicht wirksam zustimmt.

Auch bei der männlichen Beschneidung unter neuzeitlichen medizinischen Bedingungen können schwerste Komplikationen auftreten. Allein die Anzahl der Narkoseunfälle bei Beschneidungen von Babys in den USA wird auf mehrere hundert pro Jahr geschätzt. Weltweit werden aber Beschneidungen von Knaben mit primitivsten Werkzeugen und ohne Narkose vorgenommen, was nicht selten zu ernsten Schäden, Zeugungsunfähigkeit oder gar zum Tode führt. In Südafrika sterben beispielsweise jährlich etwa 100 Knaben infolge solcher Beschneidungen.

Beschneidung (weibliche wie männliche!) berührt die Religionsfreiheit. Gerade wer die Beschneidung als wichtiges religiöses Zeichen sieht, muss Kinder vor diesem irreversiblen Eingriff bewahren, um auch ihre negative Religionsfreiheit im späteren Erwachsenenleben zu sichern.

Menschenrechte sind unteilbar, das Gesetz muss geschlechtsneutral gestaltet werden!

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Antwort der Bundesregierung

Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 09.06.2011 abschließend beraten und beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

Begründung:

Mit der Petiton wird gefordert, der Deutsche Bundestag möge beschließen, im Rahmen der Gesetzesberatungen zur Genitalverstümmelung folgende Änderungen festzulegen:

Die männliche Genitalverstümmelung möge ebenfalls unter den entsprechenden Paragraphen fallen und die Freiheitsstrafe möge

  1. im Regelfall mindestens 3 Jahre
  2. in besonders schweren Fällen mindestens 5 Jahre
  3. in Fällen, in denen durch die Tat der Tod des Opfers herbeigeführt wird, mindestens 10 Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe
  4. in minder schweren Fällen zwischen 1 und 10 Jahren betragen.

Zur Begründung der Petition wird im Wesentlichen vorgetragen, dass mit dem am 12. Februar 2010 beschlossenen Gesetzentwurf des Bundesrates „Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (… StrÄndG)“, der dem Deutschen Bundestag seit dem 24. März 2010 vorliegt (BT-Drs. 17/1217), mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft werden soll, wer die äußeren Genitalien einer Frau durch Beschneidung oder in anderer Weise verstümmelt. Wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG), wonach niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden darf, müsse auch die Beschneidung männlicher Personen in die geplante Strafvorschrift einbezogen werden.

Ergänzend wird ausgeführt, dass eine Genitalverstümmelung regelmäßig zu dauerhaften Schäden beim Opfer führe, weshalb auch hier eine mit der schweren Körperverletzung nach § 226 Strafgesetzbuch (StGB) vergleichbare schwerwiegende körperliche Folge vorliege. Daher sei eine Strafandrohung unter der der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB nicht sachgerecht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.

Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht. Sie wurde von 476 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen 50 Diskussionsbeiträge ein.

Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter Zielsetzung vor, die wegen des Sachzusammenhangs einer gemeinsamen parlamentarischen Prüfung unterzogen werden. Es wird um Verständnis gebeten, dass nicht auf alle der vorgetragenen Aspekte im Einzelnen eingegangen werden kann.

Der Petitionsausschuss hat zu der Eingabe eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) eingeholt. Unter Einbeziehung der vorliegenden Stellungnahme lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung wie folgt zusammenfassen:

Zum Gesetzentwurf des Bundesrates sind die Beratungen innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen (Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 17/1217, S. 9). Sollte, dem Gesetzentwurf entsprechend, eine spezielle Strafvorschrift zur Genitalverstümmelung bei Frauen geschaffen werden, läge darin keine Verletzung von Artikel 3 Absatz 3 GG. Eine Notwendigkeit, in die geplante Strafvorschrift zur Genitalverstümmelung auch die Beschneidung männlicher Personen einzubeziehen, besteht nach Auffassung des Petitionsausschusses nicht.

Die Beschneidung männlicher Personen stellt nach herrschender Meinung einen körperlichen Eingriff dar, der grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB) fällt. Der Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 StGB) ist erfüllt, wenn das Opfer körperlich misshandelt, also in seinem körperlichen Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt, oder an der Gesundheit geschädigt wird. Das ist bei der Beschneidung männlicher Personen grundsätzlich auch der Fall, in der Regel auch „mittels eines gefährlichen Werkzeugs“ (§ 224 Absatz 1 Nr. 2 Var. 2 StGB).

Abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls kann die Beschneidung allerdings durch die Einwilligung (§ 228 StGB) gerechtfertigt sein, was eine Strafbarkeit ausschließt. Die Einwilligung ist allerdings unbeachtlich, wenn die Tat gegen die guten Sitten verstößt. Bei der Abwägung zum Sittenverstoß finden alle die Tat begleitenden Umstände Berücksichtigung. Zu diesen Umständen gehören bei der religiösen Beschneidung männlicher Personen, die religiöse Motivation und Bedeutung des Vorgangs, die ihrerseits vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit, insbesondere der ungestörten Religionsausübung (Artikel 4 Absatz 2 GG) bewertet werden müssen.

Bei einem noch nicht religionsmündigen Kind hängt es von einer einzelfallbezogenen Prüfung ab, ob die Einwilligung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten zum Ausschluss der Strafbarkeit führt.

In all diesen Fällen kann die Vereinbarkeit mit den guten Sitten nur deswegen überhaupt erwogen werden, weil die Beschneidung der Penisvorhaut keine schwerwiegenden körperlichen Folgen nach sich zieht. Bei sachgerechter Handhabung durch einen Arzt werden körperliche Funktionen nicht auf Dauer beeinträchtigt. Insbesondere können beschnittene Männer uneingeschränkt sexuelle Lust empfinden und werden in ihrem Sexualleben nicht behindert.

Dies unterscheidet die Beschneidung männlicher von der Beschneidung weiblicher Genitalien, die in aller Regel schwerwiegende körperliche Folgen nach sich zieht und insbesondere zu erheblichen Beeinträchtigungen des Sexuallebens führt. Die Beschneidung weiblicher Genitalien kann deshalb selbst dort nicht gerechtfertigt werden, wo sie religiös motiviert ist oder als religiöse Handlung verstanden wird. Der Schutzbereich der ungestörten Religionsausübung (Artikel 4 Absatz 2 GG), besteht nicht schrankenlos. Das Grundgesetz schützt auch die körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG). Daher kann die staatliche Rechtsordnung Formen der Religionsausübung, die zu schwerwiegenden körperlichen Beeinträchtigungen führen, nicht zulassen.

Da die Verstümmelung der weiblichen Genitalien durch Beschneidung, was Umfang, Schwere und Zweck des Eingriffs betrifft, von grundsätzlich anderer Qualität ist als die Beschneidung der männlichen Penisvorhaut, läge keine Bevorzugung von Frauen und keine Benachteiligung von Männern vor, wenn der Gesetzgeber eine besondere Strafvorschrift zur Genitalverstümmelung lediglich für die Beschneidung von Frauen schafft. Die schweren Folgen einer Beschneidung von Klitoris und Schamlippen können ihrer Natur nach nur bei Frauen auftreten. Wenn ein Problem seiner Natur nach nur bei einem der beiden Geschlechter auftreten kann, ist die an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung mit Artikel 3 Absatz 3 GG vereinbar (BVerfGE 85, 191, 207).

Zu der Forderung nach einer Anpassung des Strafmaßes an das der schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) stellt der Petitionsausschuss fest, dass die Genitalverstümmelung, wie bereits erwähnt, einen Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers darstellt. Deshalb ist eine strafrechtliche Einordnung der Tat erforderlich. Der Straftatbestand der schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) sieht allerdings von seiner Deliktsstruktur her eine hohe Strafe vor, wenn durch die vorsätzliche Körperverletzung eine schwere Folge fahrlässig verursacht wird. Wird die schwere Folge, wie dies bei der Genitalverstümmelung regelmäßig der Fall sein dürfte, wissentlich oder absichtlich herbeigeführt, so sieht der Absatz 2 dieser Vorschrift sogar eine Mindeststrafandrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe vor. Da demgegenüber in Deutschland überwiegend Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund von Genitalverstümmelungen betroffen sind, würde bereits die Verhängung der geforderten Mindeststrafe bei Ausländern dazu führen, dass diese zwingend auszuweisen sind, vgl. § 53 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes. In vielen Fällen sind die Eltern der Opfer an der Tat beteiligt, deshalb würde diese Folge einen enormen Einfluss auf die Anzeigebereitschaft der Opfer haben. Die geforderte Anpassung der Strafandrohung kann daher nicht unterstützt werden.

Der Petitionsausschuss empfiehlt aus den oben genannten Gründen, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

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