von Bernhard Lassahn
Worum geht es? Um Liebe, Dreckwäsche, Bärte, Handschellen und Strukturen. Um einen alten Schlager und um die neue SPD. Und um das Schnabeltier.
Manchmal frage ich mich: Wer sind wir? „Wir sind Nobelpreisträger (Friedenspreis für die Europäische Union). „Wir“ waren sogar Papst (Benedikt XVI.) Und „wir“ waren Fußballweltmeister (Frauenfußball 2007). Nun hat auch die SPD das „wir“ entdeckt. „Das Wir entscheidet“, heißt es seit dem letzten Parteitag, nicht etwa: „Jawohl, wir können“ (englisch: „Yes, we can“). Dabei wäre es mir lieber, wenn ein „wir“, von dem ich wenigstens weiß, wer damit gemeint ist, von sich behauptet, dass es etwas kann, oder es zumindest versucht, als wenn ein unbestimmtes „Wir“ etwas entscheiden will oder sich zum Maßstab, an dem sich etwas entscheiden soll, erhebt. Denn zunächst mal müsste geklärt werden, wer sich hinter dem „Wir“ verbirgt.
Spätestens seit Helmut Kohl auffallend oft von „diesem, unserem Lande“ gesprochen hat, achte ich darauf, wie mit der ersten Person Plural umgegangen wird. Ich bin hellhörig geworden, wenn ich den Eindruck habe, dass ich vereinnahmt werden soll. Wenn es beispielsweise heißt „Wir brauchen den Euro“ oder „Wir brauchen die Quote“, dann frage ich mich, ob ich auch zu diesem „wir“ gehöre.
Die SPD hatte schon mal ein „Wir“. Kein offizielles. Aber ein deutlich erkennbares. Man konnte es an dem Buchtitel von Bernt Engelmann (mit Günter Wallraff) ablesen: ‚Ihr da oben, wir da unten’. Damit wurde das „wir“ der damaligen SPD treffend beschrieben. Die SPD war die Partei von denen „da unten“, die Partei der Arbeiter, die Partei der kleinen Leute, deshalb tagten sie auch in einer „Baracke“, wie sie mit leichter Ironie sagten. Die Genossen lebten in einfachen Verhältnissen, sie hatten keine „Villa im Tessin“.
Solche Villen wurden auf Staeck-Postern bespöttelt – falls sich noch jemand erinnert -, da gab es bemerkenswerte Plakate: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“. Das war Satire im Wahlkampf 1972. Ganz entfernt konnte man daraus noch die Parole „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ heraushören, ganz, ganz leise. Die Botschaft war klar: „Wir sind die, die in der Baracke sitzen, ihr seid die, die in der Villa wohnen.“ Ihr und wir. weiterlesen…»