Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: 8 Mio, Tote seit 1974 - durch weibliche Urheberschaft

Garfield, Wednesday, 05.01.2005, 20:37 (vor 7453 Tagen) @ ein weiterer Andreas

Als Antwort auf: Re: 8 Mio, Tote seit 1974 - durch weibliche Urheberschaft von ein weiterer Andreas am 05. Januar 2005 11:41:35:

Hallo Andreas!

"Eine Diktatur einzuführen wird auch nicht funktionieren, da sich die Menschen in ihrem Freiheitsgefühl verletzt sehen würden, und opponierten."

Ja, eben! Wenn du nun Abtreibungen generell für unmoralisch erklärst und verlangst, daß andere Menschen das auch so sehen, versuchst du damit aber, ihnen deine Moralvorstellungen aufzudiktieren.

"Eine Gesellschaft kann nur dann eine Kultur sein, wenn ihre Moral derart grundlegend konsensual ist, daß das den einzelnen gar nicht mehr als solches bewußt wird. Das ist Kultur."

Das meinten die Nazis auch und wollten deshalb alle gleichschalten. Ein Volk, ein Reich, ein Führer, hieß es damals. Alle sollten brav im Gleichschritt hinter Adolf her marschieren, und viele taten das ja auch. Würdest du das Nazireich deshalb als Musterbeispiel für Kultur bezeichnen?

"Wenn jedoch die Moral ins Belieben gestellt wird, relativiert wird, hinterfragt wird. Dann ist dieser Vorgang einer Bewußtwerdung immer zugleich ein Zersetzungsvorgang, da dann zwangsläufig die von Dir angeführten Argumente kommen und natürlich nicht widerlegt werden können."

Veränderung bedeutet nicht automatisch Zersetzung, sondern kann auch zu Weiterentwicklung führen!

"Doch. Daher ja auch die Märchen und Sagen aus "100 & 1 Nacht". Die stammen aus der Zeit der Kreuzzüge. Damals hatte der mittlere Osten ein Wohlstand- und Zivilisationsniveau, das die damit in Kontakt kommenden Europäer eben zu solchen Erzählungen inspiriert hat."

Ich meinte das bezogen auf die jüngere Vergangenheit. Die Zeiten der Kreuzzüge liegen mittlerweile lange zurück. In den verflossenen Jahrhunderten hätte sich die arabische Welt durchaus wieder zum Positiven entwickeln können. Daß das nicht geschehen ist, ist weniger auf Dekadenz zurück zu führen als auf negative Einflüsse von außen. Zuerst kam das Osmanische Reich, dann wieder die Europäer, schließlich die US-Amerikaner, und heute sind viele arabische Länder fest im Griff einer steinreichen einheimischen Oberschicht. Die mag zwar dekadent sein, auf die Masse der Bevölkerung trifft das aber meist nicht zu.

"Und das war - hier schließt sich der Kreis wieder - das Zeitalter, in dem die Araber den größten Bevölkerungsrückgang hatten. Gegen Kreuzzügler und Mongolen boten sie überwiegend fremdländische Söldnerheere auf. Untrügliches Zeichen für einen niedrigen Geburtenstand. Das eigene Rekrutierungspontial fehlte. Zu Zeiten Mohammeds oder zu Zeiten des ebenfalls sprichwörtlich gewordenen Arabersturms wäre das undenkbar gewesen."

Dafür gibt es viele Beispiele, das stimmt. Auch in Byzanz war es in den letzten Jahrhunderten seines Bestehens so, und ohne die Kreuzzüge wäre das Land noch viel eher von den Türken überrannt worden.

Ich glaube aber nicht, daß das auf eine dekadente, kinderfeindliche Einstellung zurück zu führen ist.

Zunächst einmal muß man auch sehen, daß ein Land, in dem allgemeiner Wohlstand herrschte, natürlich immer Menschen von außerhalb magisch anzog. Selbst wenn seine Bevölkerungszahl nicht sank, bekam es also zwangsläufig immer wieder Probleme an seinen Grenzen. Durch ständige Kriege wird die Bevölkerung dezimiert, auch bei hohen Geburtenzahlen. So wird man zwangsläufig irgendwann Söldner anheuern müssen.

Tatsächlich ist es aber so, daß Menschen, denen es gut geht, oft weniger Kinder bekommen.

In Deutschland erklärt man das heute damit, daß viele Menschen eben egoistisch wären und sich nicht mehr mit Kindern belasten wollten.

Mir ist diese Theorie zu einfach. Ich sehe da mehrere Ursachen:

Zunächst einmal hat die Einführung der Pille einen deutlichen Rückgang der Geburtenzahlen bewirkt. Ich denke, das ist sogar der wesentlichste Faktor überhaupt.

Zwar gibt es in den USA die Pille zur Empfängnisverhütung natürlich auch schon lange. Aber dort sind es eben vor allem die Menschen mit niedrigen Einkommen, die viele Kinder bekommen, genau wie bei uns in Deutschland auch. Die können sich die Pille schlicht und einfach nicht leisten, genauso wenig wie viele Menschen in armen Ländern.

Nun könnte man natürlich fragen, wieso denn Frauen eigentlich die Pille nehmen. Wieso sie also nicht fröhlich ein Kind nach dem anderen in die Welt setzen.

Ich denke, es gibt auch in Deutschland immer noch genügend Frauen, die das gern tun würden. Nur wird das eben durch die Lebensumstände in Deutschland immer schwerer.

Früher fing ein Kind mit 14/15 eine Lehre an, und dann kostete es die Eltern bald kein Geld mehr und trug obendrein oft noch zum Familieneinkommen bei. So war es dann einfacher, die jüngeren Geschwister zu ernähren.

Heute geht ein Kind erst einmal bis mindestens zum 15./16. Lebensjahr zur Schule, oft sogar bis zum 18./19. Lebensjahr. Wenn es dann eine Ausbildung oder ein Studium macht, zieht sich das noch einmal 3-6 Jahre lang hin. In der Zeit hat es nur ein geringes Einkommen und muß von den Eltern finanziell unterstützt werden. Erst im Alter zwischen 18 und 25 verdient es eigenes Geld - wenn es denn einen Job findet. Leider gehen immer mehr Kinder - vor allem Jungen - dabei leer aus, und dann bleibt ihnen nichts anders übrig, als den Eltern weiter auf den Taschen zu liegen.

Dazu kommt noch, daß auf die Kinder heute ein enormer Konsumdruck ausgeübt wird. In manchen Schulklassen werden Kinder, die nicht die neuesten Markenklamotten, Spielekonsolen usw. haben, tatsächlich ausgegrenzt. Das setzt dann die Eltern unter Druck und bringt ihnen noch mehr Kosten.

Die Einkommen sind heute zwar höher als vor 50 Jahren, die Lebenshaltungskosten aber auch. So können sich die Menschen heute schlicht und einfach nicht mehr viele Kinder leisten. Nicht nur, weil sie heute so viel mehr kosten als in früheren Zeiten, sondern auch, weil dann ein Partner zumindest zeitweise aus dem Beruf ausscheiden muß und somit auch noch weniger Geld herein kommt.

Wer zum Hauskauf einen hohen Kredit aufgenommen hat und den nun abzahlen muß, kann sich das einfach nicht leisten. Ein Haus kriegt man heute mit einem Normalverdienst nicht mehr finanziert. Auch da ist nämlich alles deutlich teurer geworden.

Nun könnte man natürlich ein Haus als Luxus bezeichnen. Wenn man sich aber mal vor Augen hält, daß man für eine Mietswohnung im Laufe seines Lebens genausoviel zahlt wie für ein Eigenheim und daß die Menschen, die jetzt 20-40 sind, nur noch Hungerrenten bekommen werden, von denen sie sich im Alter die Wuchermieten nicht mehr leisten können werden, dann sieht das schon anders aus. Gerade mit Kindern braucht man noch eine größere Wohnung, die dann auch noch teurer ist...

Das sind wohl eher die Hauptgründe für den Geburtenrückgang. Die dafür immer gern zitierte Selbstverwirklichungs-Einstellung kann ich in meinem Bekanntenkreis jedenfalls kaum finden. Meine Frau und ich hätten durchaus gern Kinder - aber es geht nicht. Meine Frau darf momentan aus medizinischen Gründen nicht schwanger werden, und außerdem zahlen wir auch ein Haus ab, und das ist mit einem Einkommen - wie oben geschrieben - eben kaum noch möglich. Deshalb hat sich das Thema Kinder für uns vorläufig erledigt, obwohl wir beide die Vorstellung, daß nach uns niemand mehr kommt, eigentlich nicht so toll finden.

Und ähnlich sieht das bei anderen Leuten in meinem Bekanntenkreis auch aus. Ich kenne auch ein Paar, das gern Kinder hätte. Aber es klappt einfach nicht. Mich würde mal interessieren, ob das Problem der ungewollten Kinderlosigkeit in armen Ländern auch so häufig auftritt. Ich vermute, nicht...

Freundliche Grüße
von Garfield


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