Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Sorry, aber das ist Bullshit

Beelzebub, Tuesday, 24.05.2005, 02:32 (vor 7124 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Merkel von Garfield am 23. Mai 2005 12:57:48:


"Und ich glaube, wenn mich damals jemand von der Stasi gefragt hätte, ob ich IM werden würde, dann hätte ich zugesagt. Wenn ich es nicht getan hätte, dann hätte es eben ein anderer getan. Und der hätte dann vielleicht wirklich alles brühwarm berichtet. Ich hätte dann versucht, nur Harmloses zu berichten, aber das wäre sicher auch aufgeflogen, weil ja üblicherweise immer mehrere IMs auf eine Person angesetzt wurden. Ich kann mir gut vorstellen, daß manch anderer tatsächlich nur aus diesem Grund zum IM wurde und sich dann auch selbst in Gefahr gebracht hat, wenn er nicht immer alles korrekt meldete. Heute zählt das aber nicht mehr - da zählt nur noch, daß er IM war, damit ist er stigmatisiert und ob er wirklich Schaden angerichtet oder sogar Menschen geschützt hat, interessiert niemanden."

Sawadee Garfield

Ich muss dir leider sagen, dass du hier Bullshit daherredest.

'Hätt ich es nicht getan, dann hätt's ein anderer getan' und 'Ich habe doch nur mitgemacht um noch schlimmeres zu verhindern' sind zwei ziemlich faule und vor allem sehr deutsche Ausreden, die im just verflossenen Jahrhundert schon zwei mal von denjenigen vorgebracht worden sind, die nach Kräften dazu beigetragen haben, ein totalitäres Terrorregime aufrechtzuerhalten.

Ich bin zwar selber ein 'Wessi', habe aber im Rahmen eines Projektes ein paar Jahre lang ziemlich intensiv mit der damaligen 'Gauck-Behörde' (heute 'Birthler-Behörde') zusammengearbeitet und dabei haufenweise Berichtsakten des MfS ausgewertet. Und vor dem Hintergrund dessen, was ich dort gelesen habe kann ich dir versichern: Es gab keine 'harmlosen' Berichte an das MfS. Die meisten Berichte enthielten zwar nur ziemlich läppische Belanglosigkeiten - 'Bernd hat schon wieder gemeckert, dass er keine Trabi-Ersatzteile bekommt' oder 'Marianne trinkt heimlich eine halbe Flasche Wodka am Tag' - aber gerade das war das perfide an dem Regime: es konnte bei Bedarf jeden Bürger mit Einzelheiten aus seinem Privat- oder gar Intimleben konfrontieren: ‚Wir wissen, wieviel Milch du in deinen Frühstückskaffe tust, wir wissen welche Farbe deine Bettwäsche hat, wir wissen, warum du mit deiner Frau im letzten Februar eine Woche lang Streit hattest’ und die Menschen dadurch in Angst halten.

Übrigens hatte ich den Eindruck, dass es in der DDR eine ausgesprochen weit verbreitete Freizeitbeschäftigung gewesen sein muss, sich gegenseitig beim MfS zu verpetzen.

Es kam übrigens so gut wie nie vor, dass jemand zur Tätigkeit als Spitzel gezwungen wurde. So gut wie alle waren freiwillig bereit, ihre Nachbarn, Freunde z.T. auch Ehepartner nach Kräften zu auszuspähen und das gesehene und gehörte brühwarm weiterzumelden. Und dabei hatten sie nicht mal nennenswerte Vorteile davon. Allenfalls gab’s zur Belohnung mal ein Buch oder eine Schallplatte. Geldprämie waren selten und betrugen meistens weniger als 100 Mark (Ost). Wie eine Bürgerrechtlerin, deren Name mir im Moment nicht einfällt mal schrieb: "Die meisten waren für eine Blumenkohlsuppe zu haben."

Schließlich war es – anders als bei FDJ oder NVA – absolut risikolos, sich dem MfS zu verweigern. Das äußerste, was man riskierte, wenn man sich weigerte, den Spitzel zu machen war, dass man möglicherweise auf der Warteliste für den Trabi ein paar Plätze nach hinten rutschte. Und wer ganz schlau war, der brauchte nur ein paar vertrauten Freunden zu erzählen, dass das MfS ihn anwerben wollte – unter dem Siegel der Verschwiegenheit versteht sich. Sobald das MfS davon erfuhr – und es erfuhr immer davon – galt der Spitzel in spe als ungeeignet und wurde nie wieder behelligt.

Nie würde ich es jemandem, der nicht wie ich das Glück hatte, auf der 'richtigen' Seite der Mauer zur Welt zu kommen, zum Vorwurf machen, dass er sich mit dem DDR-Regime arrangiert und das ganze Brimborium mit FDJ und NVA mitgemacht hat oder auch Mitglied in der SED wurde.

Aber Spitzeltätigkeit ist wirklich das allerletzte und soviel Anstand, dass man sich nicht für so etwas dreckiges hergab, das konnte man auch von den Menschen in der DDR erwarten.

Gruß

Beelzebub


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