Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: @Flint und Maesi

Garfield, Friday, 25.11.2005, 11:17 (vor 6930 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Re: @Flint und Maesi von Maesi am 24. November 2005 22:48:56:

Hallo Maesi!

Ich kann deine Argumente ja durchaus nachvollziehen.

Erstmal zu den hohen Moralnormen: Die waren keineswegs immer und überall so hoch wie heute bei uns. Es hat in der Vergangenheit immer wieder Kulturen gegeben, die kein Problem damit hatten, wenn ein Kind noch nach der Geburt "abgetrieben" wurde. Auch hat man auf das menschliche Leben ganz allgemein keineswegs immer die heute für uns selbstverständlichen Rücksichten genommen. Da wurden Kriegsgefangene oder sogar die eigenen Kinder brutal abgeschlachtet, weil man daran glaubte, daß dies die Götter besänftigen und sie dazu bringen würde, eine Dürreperiode zu beenden. Man hielt das für gerechtfertigt, weil man glaubte, daß durch diese wenigen Opfer viele Menschen vor dem Hungertod gerettet werden könnten.

Damit sind wir schon mal bei zwei grundlegenden Problemen.

Erstens sind Moralnormen relativ.

Und zweitens ist es oft so, daß Freiheiten für einen einzelnen Menschen mit Beeinträchtigungen für einen anderen Menschen verbunden sind. Dann geht es darum, abzuwägen, was wichtiger ist: Die Freiheit des einen oder die Beeinträchtigung des anderen.

Wenn beispielsweise jemand Vergnügen daran hat, andere Menschen mit einer Axt zu erschlagen, dann ist das für die allermeisten Menschen nicht akzeptabel.

Bei Abtreibung sieht das anders aus. Sowas ist für weitaus mehr Menschen akzeptabel. Weil sie nämlich einen Fötus nicht mit einem erwachsenen Menschen oder einem Neugeborenen gleich setzen. Aus genau demselben Grund, aus dem du Tiere nicht mit Menschen gleich setzt. Tatsächlich ist das Bewußtsein eines Fötus auch weniger entwickelt als das eines hochentwickelten Tieres. Deshalb wäre es für mich unlogisch, das Töten von Tieren als Kompromiß zu akzeptieren, die Abtreibung gering entwickelter Embryos jedoch nicht.

Womit wir wieder bei der Relativität der Normen wären...

Schön finde ich Abtreibungen aber auch nicht. Die künstliche Gebährmutter wäre deshalb in meinen Augen eine Lösung dieses Problems, weil man dann Abtreibungen wirklich generell verbieten könnte. Denn auch, wenn eine Schwangerschaft oder eine Geburt mit Lebensgefahr für eine Frau verbunden wäre, könnte man dann den Embryo in so eine künstliche Gebährmutter einpflanzen. Da gäbe es dann keinen Konflikt mehr zwischen den Interessen der Mutter und denen des Embryos.

Und zu der Euthanasie-Problematik: Ich denke, du weißt, daß so etwas keine Erfindung der Neuzeit ist. Auch die Nazis haben das nicht erfunden. Schon in der Weimarer Republik gab es ähnliche Bestrebungen, und in den USA zu der Zeit ebenfalls. Aber schon viel früher gab es Kulturen, in denen es als völlig normal galt, Menschen, die keinen Beitrag zum Überleben leisten konnten, zu töten oder einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Manchmal war das tatsächlich auch eine pure Überlebensfrage. In manchen Kulturen galt es auch als normal, bei Hungersnöten Kinder zu töten. Deshalb sehe ich es keineswegs so, daß wir uns auf eine Gesellschaft zu bewegen, in der so etwas wieder als normal gilt. Es wäre natürlich möglich, daß so etwas wiederkehrt. Aber im Moment sind wir wohl weiter davon entfernt als in der Vergangenheit, auch wenn Abtreibung da ein gewisser Rückschritt ist.

Zur erlaubten Sterbehilfe in Holland: Das ist auch wieder so ein schwieriges Thema, das man von allen Seiten betrachten muß. Sicher - es ist durchaus möglich, daß so etwas ausgenutzt wird, um alte oder sehr kranke Menschen schnell zu entsorgen. Aber dagegen wird ja schon gesetzlich eine gewisse Vorsorge getroffen. Und andererseits kann ich mir schon vorstellen, daß eine schwere Erkrankung ohne Hoffnung auf Genesung durch die damit verbundenen starken Schmerzen und sonstigen Unannehmlichkeiten die Lebensqualität so sehr verringert, daß ein davon betroffener Mensch wirklich so nicht mehr weiterleben möchte. Es gibt mittlerweile viele Menschen, die Patientenverfügungen abfassen, um in genau solchen Situationen die medizinischen Geräte abstellen zu lassen.

Wenn sich ein gesunder Mensch das Leben nehmen möchte, würde ich versuchen, ihn davon abzubringen. Wenn es aber ein Mensch tut, der genau weiß, daß er ohnehin nicht mehr lange zu leben hat, um sich damit noch mehr Leid zu ersparen, dann habe ich dafür durchaus Verständnis.

Freundliche Grüße
von Garfield


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