Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Die notorische Verlegenheit des Materialismus

susu, Tuesday, 21.09.2004, 20:10 (vor 7360 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Die notorische Verlegenheit des Materialismus von Arne Hoffmann am 21. September 2004 12:24:18:

Huhu Arne

Holla, da trennst du Wissenschaft und Ideologie aber sehr stark. Manche mögen einwenden, der Begriff "Beweis" gehöre in die Mathematik, allenfalls vor Gericht, in den allermeisten Wissenschaften gehe es vor allem um größtmögliche Wahrscheinlichkeiten.

Zu diesen manchen gehöre ich auch. Es gibt aber durchaus schlüssige deduktive Gottesbeweise, die logisch zwingend aus einer Axiomatik hervorgehen (z.B. Spinozas Gottesbeweis). Nur hängen diese Beweise eben von der Axiomatik ab. Ein Omnipotenter, Omniscienter Gott ohne Bewustsein und ohne Omnibenevolenz ist beweisbar (wobei dann die Frage ist, ob diese Entität noch Gott genannt werden sollte). Dieser Beweis ist im Grund Mathematik, Mathe ist ja weniger eine besondere Form, als eine Grammatik der Logik, der jeder deduktive Beweis genügen muß.

Und es gibt bis hinein in die Naturwissenschaften etliches, was sich nicht durch Experimente belegen oder widerlegen läst.

Das wäre zu bezweifeln. Bzw. wenn du auf Wissnschaften abzielst, die historisch gebunden sind (Meterologie, Astronomie, Evolutionsbiologie, Paläontologie, Geologie [z.T. nur in Teilbereichen]), dann machen diese Wissenschaften Vorhersagen, durch die bestimmte Thesen falsifizierbar sind.

Insofern ist eine Argumentation über Induktion oder Deduktion wissenschaftlich schon statthaft. Und Nick argumentiert eben, es sei sehr, sehr unwahrscheinlich, dass so viele Faktoren bei der Herausbildung des Universums rein zufällig exakt zusammengespielt haben, dass dabei schließlich menschliches Bewusstsein entstand. Überspitzt gesagt: Genausogut könnte man die Einzelteile eines Radios in einen Raum werfen, so dass daraus "zufällig" das fertige Gerät entsteht. Nick schließt daraus, dass es irgendeine Form von Schöpfung gegeben haben muss, und diesen Gedankengang finde ich nicht per se unwissenschaftlich, Wittgenstein hin oder her.

Unwissenschaftlich ist sie deshalb, weil das z.B. voraussetzt, daß es keine Metaphysik in dem Sinne gibt, daß es Metanaturgesetze gibt, die diese anturgesetze bestimmen. Auch deshalb, weil es eben kein davor oder außerhalb gibt, weil diese Eigenschaften des Universums voraussetzen. Ob es ein oder viele Universen gibt, ist keine Wissenschaftliche Fragestellung (Das ist der Vorwurf, der S.W.Hawking gemacht werden kann: Physik und Metaphysik nebeneinander laufen zu lassen, ohne sie zu trennen, die überprüfbare Aussage neben reinen Glauben zu stellen). Die Analogie wäre zu kritisieren: Ein Radio in einen Raum zu werfen erfordert die Existenz eines Radios und eines Raumes.

Meinem Eindruck nach werden in den momentan vorherrschenden Diskursen ein spirituelles und ein materialistisches Weltbild eben nicht gleichberechtigt nebeneinander gestellt.

Als ob es zwischen den beiden eine Dichotomie gäbe. Es gibt eine materialistische Spiritualität. Und es gibt eine romantische Anti-Romantik, die die "Entzauberung der Welt" als Verzauberung erlebbar macht. Und die ist erfahrbar... Nick gab als Beipiel einen Sonnenaufgang. Letztenendes ist es die romantischere, die tiefergehende Sicht, zu verstehen, daß die Erde sich dreht, daß das Morgenrot verursacht wird, durch den längeren Weg den das Licht in der Athmosphäre zurücklegt, wobei mehr hochenergetische Photonen gestreut werden. Das dies der Effekt ist, der auch den Himmel blau macht. Das das grundlegende Prinzip dieser Streuung die elektrische Wechselwirkung ist. Die Wiederum für die Chemie verantwortlich ist und dafür sorgt, daß Moleküle bestand haben. Und damit auch für die Maschinerie des Lebens und für die Vorgänge in unserem Kopf. Feynman schrieb ähnliches über ein Weinglas, Gould über Evolutionsbiologie. Letztlich siehst du dich selbst im Sonnenaufgang, das sehen des Sonnenaufgangs eingeschlossen. Es sind nur Permutationen der gleichen Regelmäßigkeiten. Und schlußendlich genau so mystisch, genau so ehrfurchtgebietend, wie die Kabbalistik. Ich weiß nicht, ob das vermittelbar ist.

susu


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