Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Scholl-Latour: Zu unserer Kultur stehen!

Chato, Saturday, 07.10.2006, 07:45 (vor 6622 Tagen) @ susu

Über Geschmack läßt sich streiten. Und erst Recht darüber ob ein Theaterstück
nicht auch geschmacklos sein darf, bzw. vieleicht sogar sein sollte.

Wenn ein Theaterstück geschmacklos sein darf, ja vielleicht sogar sein sollte, wie du sagst, dann widersprichst du Scholl-Latour folglich nicht, sondern stimmst ihm zu, wenn er es geschmacklos nennt? Ich auch. Für diejenigen, auf deren Kosten solche Geschmacklosigkeiten gehen, ist es freilich keine "Geschmacksfrage" - und deshalb auch für alle anderen mehr als nur das. Wenn Dich jemand eine "schwule Sau" nennt, dann ist das ja auch nicht lediglich eine "Geschmacksfrage" - nicht bloß für dich. Exakt das ist es, was Scholl-Latour eigentlich zum Ausdruck gebracht hat.

Deine Art des Einwands läuft im Grunde darauf hinaus, daß eine Beleidigung bei jemandem, der deswegen keine Selbstmordattentäter losschickt, "mutig" und eine "Geschmacksfrage" ist, während sie bei jemandem, der dies erfahrungsgemäß tut oder tun könnte, eine Sicherheitsfrage ist, deretwegen man ggf. eine Operninszenierung absetzt. Oder eben auch mehr, falls erforderlich. Wer seine "Werte" derart nach Opportunität und Risiko ausrichtet, hat keine. Und genau diese Doppelmoral der Atheisten im Westen disqualifiziert sie für den Dialog mit dem Islam, vor allem in den Augen der Moslems selbst. Für einen Dialog braucht man aber zwei, nicht einen, außer der Eine sitzt am längeren Machthebel. Aber dann ist es halt kein Dialog. Genau diese Zusammenhänge hat Scholl-Latour zum Ausdruck gebracht:

Vor allem aber wollen wir offenbar immer noch nicht begreifen, daß wir dem
Islam nur begegnen können, wenn wir ? so wir schon den christliche Glauben
nicht mehr haben ? wenigstens auf dem festen Boden unserer christlichen
Kultur stehen. Lassen wir es dagegen zu, daß unsere eigene Kultur ? man
muß es schon sagen ? regelrecht ?zur Sau gemacht? wird, dann sehe ich
schwarz für unsere Fähigkeit, diese Herausforderung zu bestehen.

1789!

"1789" könnte diese Herausforderung bestehen, meinst du? Dem stimmt Scholl-Latour ebenso wenig zu wie ich. Die französische Revolution hat keine Kultur begründet, sondern eine Zivilisation, welche die christliche Kultur, von der sie zehrt, zerstört. Welche Argumente kann "1789" denn ins Feld führen im Disput mit Moslems, für die dieses Datum die Gottlosigkeit schlechthin ist? Welche Argumente, außer der Guillotine? G.W.Bush versucht genau dies und kann damit nur scheitern. Alternative? Ich meine nicht 'theoretisch', sondern praktisch, also so, daß es den anderen mit Argumenten davon überzeugt, daß 1789 nicht schlechthin gottlos gewesen ist, sondern dies nur dann ist, wenn es so interpretiert wird - also so, wie die Atheisten es interpretieren. Exakt deshalb sind Atheisten unfähig, mit Moslems einen Dialog über die Errungenschaften von 1789 zu führen. Das wollte Scholl-Latour ersichtlich zum Ausdruck bingen, und ich stimme ihm darin zu.

Du wendest ein: "Bush ist aber doch Christ und kein Atheist!"? Das ist analog zum Einwand, Islamisten seien Moslems. Letzterem widersprechen die Moslems, ersterem die Christen. Das gleiche gilt für deine 'Argumente' hinsichtlich "christlicher Milizen" im Libanon. Ob jemand Christ ist oder Moslem, kann der Betreffende sich nicht selber und alleine aussuchen, wie er lustig ist, sondern dafür gibt es Kriterien. Ein Astrologe ist schließlich kein Kosmologe und ein Esoteriker kein Wissenschaftler, auch wenn er sich vielleicht so nennt - um an einem dir geläufigeren Beispiel zu verdeutlichen, wovon hier die Rede ist.

Zum einen fällt da das "Koranwiedrig" auf. Darüber sollte sich doch wohl
ein Dialog führen lassen mit Muslimen aus der Region. Die zweite Frage
wäre natürlich: Welche Art von Gegenmaßnahmen? Mit Krieg zu drohen
bedeutet auch, Agression gegenüber Europa heraufzubeschwören und Saudi
Arabien ist wirtschaftlich nicht von Europa abhängig, Europa dagegen ist
vom Öl abhängig. Wie man das löst wäre eine gute Frage.

Über das, was "koranwidrig" ist, kann man keinen politischen, sondern sinnvollerweise nur einen theologischen Dialog führen. Mit den "Muslimen aus der Region" (es war von Saudi Arabien die Rede) kann freilich niemand einen solchen Dialog führen, denn das Saudische Königshaus hat politisch dekretiert, daß darüber kein Dialog geführt werden kann. Die einzig verbleibende "Dialogform" unter solchen Umständen ist logischerweise die Gewalt, und zwar, wie ich oben schon sagte, von beiden Seiten aus: arabische Potentaten und westliche Politiker, bzw. ideologisch: Islamisten und Atheisten.

Moslems und Christen als solche sind sich in solchen Fragen eigentlich ganz einig. Wie "ihr" das freilich lösen wollt, ist in der Tat eine gute Frage. "Ihr" habt doch keine Argumente - außer Gewalt oder Unterwefung. Daß es sich exakt so verhält - anders gesagt: daß "ihr" nur dann tapfer seid, wenn dies nicht mit Gefahr verbunden ist, andernfalls aber Opern absetzt und ggf. die Rathausschlüssel übergebt - das werdet "ihr" jetzt leider lernen müssen.

Ein "Diskurs" ist halt kein Dialog, sondern ein Monolog, wenn der andere sich achselzuckend abwendet. Dialog gibt es nur, wenn beide Seiten fähig sind, die jeweils andere Seite aus ihrem Grundverständnis heraus zu begreifen und dabei authentisch belegen kann, daß das eigene Grundverständnis dem nicht widerspricht. Wenn dieses Grundverständnis freilich futsch ist, dann bleibt halt nur die Guillotine, sofern man noch eine im Schrank stehen und Bedienungspersonal genug hat, sie zu betätigen - oder der Sprengstoffgürtel, falls man über genügend "zweite und dritte Brüder" verfügt, die ihn sich um den Bauch binden, die Gegenseite aber nicht. Solche einfachen, elementaren Fragen sind es, deretwegen Scholl-Latour seit langem warnt.

Richtig, genauso wie die Bibel und die Thorah jeweils eine untergeordnete
Stellung für Nicht-Christen bzw. nicht-Juden vorsehen. Die Frage ist nun,
ob sich diese Glaubensvorschriften zumindest politisch abschwächen lassen.

Die Bibel (NT) sieht ausdrücklich keine untergeordnete Stellung für Nicht-Christen vor, sondern erkennt in jedem Menschen Gottes Ebenbild. Die Frage ist freilich, ob diese Glaubensvorschrift politisch abgeschwächt oder sogar negiert wird. Wo dies geschieht, gibt es keine Machtmittel dagegen, aber es gibt die Bibel, in der es anders drinsteht.

Chato (alias Nick)

P.S.: Den Namen Nick habe ich selbst sperren lassen, nachdem damit in diesem Forum verschiedentlich Schabernack veranstaltet wurde.


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