Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Christliche Wurzeln des Feminismus?

Gast von der anderen Seite, Sunday, 08.10.2006, 06:25 (vor 6621 Tagen) @ Beelzebub

Ist euch noch nie aufgefallen, dass ausgerechnet in den Ländern, die von "christlichen Werten" geprägt sind (oder es zumindest jahrhundertelang waren) der Feminismus am stärksten ausgeprägt und das Geschlechterverhältnis am nachhaltigsten vergiftet ist? In keinem anderen Kulturkreis, sei es der von afrikanischen Naturreligionen geprägte, der hinduistische, buddhistische, konfuzianische, shintoistische oder gar der islamische spielt die feministische Ideologie eine so dominante Rolle wie in christlich geprägten westlichen Industriestaaten.

Damit, lieber Beelzebub, machst Du es Dir natürlich auch zu einfach: Du reklamierst die Vorteile und schiebst das Unerwünschte der "anderen Seite" zu. Dass der Feminismus sich in den ehemals christlichen Regionen am deutlichsten ausgeprägt hat, liegt aber nicht an der Religion, die zwar Geschlechterbilder in einer bestimmten Weise geprägt und reproduzierte. Aber darin ist sie dem Islam beispielsweise sehr ähnlich und nicht substantiell verschieden. (Nach Deiner Argumentation könnte man übrigens auch sagen, dass es ja gerade die ehemals christlichen Länder seien, in denen die Sexualität heute - wie Du sagst - "menschenwürdig" ist, und dieses Argument wäre genauso begründet.) Dass sich der Feminismus im Westen entwicklet hat, hat aber nichts mit der Religion zu tun. Oder besser gesagt: nur indirekt. Max Weber "Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" liefert dazu einen Anhaltspunkt, wenn er die Veränderung der Produktionsbedingungen und des Wirtschaftssystems auf ursprünglich protestantische Wurzeln zurückführt (aber der heutige Kapitalismus ist natürlich nicht selbst protestantisch). Es ist jedoch der Veränderung von Produktionsverhältnissen, Wirtschaftssystem und dem letztlichen Resultat Überproduktion und zunehmende Automatisierung zuzuschreiben, dass eine Basis für so etwas wie den Aufbruch der Geschlechterrollen oder einer Frauenbewegung überhaupt geschaffen wurde. Anders ausgedrückt: Der von den Feministinnen für sich reklamierte "Erfolg" - der Auszug aus der Sphäre des Privaten, dem häuslichen Bereich - ist nicht Folge der "Rebellion", sondern Folge des veränderten Wirtschaftssystems, der den Aufwand im Haushalt erheblich verringerte. Der Weg der Frauen in die Arbeitswelt wäre und ist ohnehin erfolgt. Nicht dem Feminismus verdanken Frauen dies, sondern der Feminismus ist eine Randerscheinung der durch die wirtschaftlichen Veränderungen ausgelösten, aufgebrochenen Geschlechterrollenklischees. Das Christentum hat damit nur insofern zu tun, als es einen auf innerweltliche Askese fokussierten Zweig herausbilden konnte, der einflussreich genug war, die Basis seinem religiösen Überbau anzupassen. Diese Chance hätte unter nur geringer Modifikation beim Islam auch bestanden. Der Feminismus ist in seinen ursprünglichen Forderungen jedenfalls keineswegs genuin christlich (bestenfalls noch calvinistisch behaucht, aber mehr auch nicht).

Gruß & bb


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