Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Juri Gagarin

Chato, Tuesday, 10.10.2006, 01:47 (vor 6619 Tagen) @ susu

Oder kann man das neuerdings messbar nachweisen, daß es keinen Gott gibt?


Nö. Behauptet das jemand?

Ja, Juri Gagarin z.B., um mal ein typisches, populäres Beispiel zu nennen, der als erster Mensch mit seinem Sputnik einmal um die Erde geflogen war. Was er dort oben nicht gesehen hat, hat ihn völlig davon überzeugt, daß nicht sei, was er dort nicht sah. Logisch, oder? Meinen und finden wie er jedenfalls viele Menschen, die noch nicht einmal mit einem Sputnik um die Erde geflogen sind, sondern zwar nicht an Gott, aber an das glauben, was Juri Gagarin gesagt hat. "Der muß es doch wissen! Der war doch schließlich oben!" Du willst jetzt bitte nicht behaupten, daß das etwa nicht das geistige Niveau sei, auf dem die Frage "nach allem" durchschnittlich abgehandelt wird, oder? Im anderen Fall gälte:

Lesen lernen wäre hier eine Empfehlung meinerseits.

...und zwar ganz alltägliche Äußerungen dazu, meinetwegen in Foren wie diesem hier. Solche Debatten "ob es Gott gibt" haben für mein Empfinden, neben ihrem intrinsischen Humor, irgendwas ziemlich Anorektisches an sich, wie ich finde: "Muß der Mensch essen? Nein! Muß er nicht! Und wenn er's muß, muß ich es nicht! Das ist mein verfassungsmäßig verbrieftes Recht!" Als drohe die parenterale Zwangsernährung, sozusagen.

Also nochmal, ganz definitiv und zum Mitschreiben: Der Mensch 'muß' weder essen noch an Gott glauben, denn die ihm eigene Freiheit und Würde berechtigt ihn dazu, beides zu unterlassen, wenn ihm das vernünftiger vorkommt, und meinetwegen zu glauben, seine Physis stamme aus der Luft und seine Freiheit und Würde emergiere aus dem Staub. So wie Juri Gagarin eben. Glaubensfreiheit bedeutet ja ausdrücklich, auch an Unsinn glauben zu dürfen, wenn man ihn überzeugend findet. So steht es in der Verfassung.

Ob Unsinn freilich die vernünftigste Form wahrgenommener menschlicher Freiheit sei oder nicht, steht wohlweislich nicht in der Verfassung, sondern darüber entscheidet jeder Bürger selbst und für sich allein. Das ist für mein Verständnis der Sinn der säkularen Staatsverfassung: daß sie eine reine, abstrakte Form ohne Inhalt sei und nicht der Staat anordne, was wahr ist. Genau so und nicht anders muß es sein. Die irrtümliche Annahme freilich, diese zivilisatorische Form sei bereits der kulturelle Inhalt, halte ich für ein tragisches Mißverständnis. Butterbrotpapier ohne Brot sozusagen. Anorektisch eben...

Das eben war übrigens Nikos gewesen, Susu, und nicht ich, der Nick - Nikos der Grieche, der, glaub ich, eher Buddhist zu sein scheint, jedenfalls nach manchen Andeutungen zu urteilen, und falls doch Christ, dann garantiert nicht katholisch, sondern orthodox, denn in Griechenland gibt es nur einige hundert Katholiken, soweit ich weiß, auf irgendeiner kleinen, abgelegenen Insel, die mal ein paar Jahrhunderte lang den Venezianern gehört hatte.

Also, wie gesagt, du mußt nicht böse auf Nikos sein, denn Nikos ist nicht ich :-) Aber seine Fragen und Einwände finde ich meistens ziemlich klug; kein bißchen klompiziert und oft verblüffend genau.

Chato alias Nick
(Nichtgrieche)


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