Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Scholl-Latour: Zu unserer Kultur stehen!

susu, Monday, 09.10.2006, 15:48 (vor 6477 Tagen) @ Chato

Der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit
hingegen ist bekanntlich total gescheitert (wäre es anders, dann könnte es
u.a. nicht so ein Forum wie dieses hier geben). Warum? Er konnte nicht
funktionieren, weil er mit dem Verstand allein versucht wurde und
derselbe nunmal dafür nicht hinreicht. Das war der entscheidende Webfehler
im Aufklärungsgedanken, der solange und erst recht in umso
schlimmerer und umso selbstverschuldeterer Unmündigkeit enden muß, wie
dieser Fehler nicht mit Hilfe des Verstandes durchschaut und berichtigt
ist. Dazu nämlich ist der menschliche Verstand sehr wohl in der Lage:
seine Grenzen zu erkennen. Ich gehe so weit zu sagen, daß er dazu
ausdrücklich da ist. Man könnte das mit dem Begriff Realismus beschreiben.
So wie ich es sehe, stehen wir inzwischen vor der Wahl, unseren Verstand zu
verlieren oder ihn zu behalten. Ich habe mich für das zweite entschieden.

Es gibt da durchaus Punkte, in denen ich dir zustimmen würde (siehe meinen Kommentar zum Gottesbeweis oder auch in diesem Thread zum naturalistischen Fehlschluß. Eine Ethik kann nicht durch Tatsachenfeststellungen begründet werden). Und wenn du forderst, die Grenzen des Verstandes mittels des Verstandes zu erkennen gehe ich da ebenfalls konform. Nur halte ich die Annahme für falsch, das daraus zwangsläufig eine religiöse Haltung folgen muß.

Säkularismus ist meiner Ansicht nach tatsächlich nicht säkulär, sondern
wie jede Ideologie ein ausgesprochen religiöses Surrogat, auch wenn das
Heilsversprechen inzwischen zugegebenermaßen reichlich mickrig ausfällt.
Aber die Nummer ist ja nun schon so oft vergeblich durchprobiert worden,
da kann man verstehen, daß bloß noch eine Tüte Pommes mit Mayo als Gipfel
des Glücks herauskommt. Den Rest von dem, was du da schreibst, verbuche
ich als deine Wahlentscheidung hinsichtlich des Schicksals deines
Verstandes. Ich habe da, wie ich eben bereits sagte, eine andere Wahl
getroffen. Niemand zwingt einen schließlich mitzumachen, wenn die Welt
ihren Verstand verliert. Das muß man schon selber aktiv wollen. Aber wenn
man es wirklich will, dann geschieht es natürlich auch. Das ist klar.

Die Welt verliert nur in dem Sinne ihren Verstand, als das sie ihn eben als begrenzt erkennt und deshalb nicht mehr als festes Fundament betrachten kann. Die Frage ist jetzt, ob man sich ein Ersatzfundament suchen muß, oder den Schluß zieht, daß es keinen Boden geben kann.

Ach Nikos. (Ähem, räusper... ich bin Nick; Nikos ist der

Grieche :-)[/b]

Oh, sorry. Ich hab da meine Christen verwechselt. Wobei ich mich Frage, ob ich, wenn ich es nicht getan hätte, mich nicht des übermäßigen Differenzierens und Zerredens schuldig gemacht hätte, das mir immer wieder vorgeworfen wird...

Komisch. Meine Individualität ist nicht weg und mein Subjekt ist auch
nicht zerfallen oder in einer homogenen Masse untergegangen. Da scheint es
irgendwie Unterschiede zu geben. Ich weiß natürlich, wovon du redest. Aber
das ist keineswegs notwendig, auch wenn es inzwischen vielen so ergeht.
Man darf durchaus die Option wählen, seinen Verstand zu behalten.

Man behält höchstens die Illusion. Lesetip: Ich

Ich sprach vom "Ringen"! Das heißt, es wogte dauernd der Kampf um die
wechselseitige Unabhängigkeit von geistlicher und weltlicher Autorität -
und das bedeutet natürlich: es gab sie meistens nicht in idealer Weise.

Es gab sie nie. Seit Augustinus gab es keine Trennung von Staat und Kirche.

Aber die begriffliche Unterscheidung von "geistlicher und weltlicher
Autorität" allein belegt doch schon dieses Ringen. Deine Beispiele gehören
ausdrücklich dazu: Canossa (da ging es explizit um diese Frage!),
Krönung (nicht Wahl!) des Kaisers durch den Papst, Gegenpäpste (z.B. vom
französischen König nach Avignon versetzt) usw. - all dies belegt doch,
was ich sagte: Im christlichen Abendland gab es weder Gottkönige noch
Theokratien, wie man das aus anderen Kulturen kennt, aber das hat manchen
Potentaten nicht besonders gefallen und sie haben deshalb immer wieder mal
- bis zum Ende des Mittelalters vergeblich - versucht, das abzuschaffen.

Richtig, es gab keine Gottkönige. Mit dem Kirchenstaat gab es jedoch zumindest eine Theokratie. Und es gab eben keinen säkularen Staat. Die Abschaffung einer Staatsreligion, die Ablehnung der Legitimation von Herrschaft durch "Gottesgunst" sind zentrale Punkte eines säkulären Staates.

Du
selbst nennst doch die passenden Beispiele. Staatskirchen freilich gab es
erst ab dem 16. Jahrhundert. Das Mittelalter wäre nicht einmal im Traum
auf so eine Idee gekommen!

Mit der Cunctos populos von 380 machte Theodosius der Erste den Katholizismus zur Staatsreligion des römischen Reiches.

susu


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