Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Scholl-Latour: Zu unserer Kultur stehen!

Chato, Sunday, 08.10.2006, 20:59 (vor 6623 Tagen) @ susu

Wenn mich jemand schwule Sau nennt, ist das eine Beleidigung.
Der Unterschied ist, das es sich bei mir um eine Einzelperson handelt
und dass der Begriff in beleidigender Absicht gebraucht wird.
Der Versuch das gleichzustellen mit künstlerischen Darstellungen,
die eine diffuse Gruppe unter Umständen nicht gefällt, ist Unsinn
und würde die Redefreiheit völlig aushebeln.

Zustimmung. Aber du hast meine Intention mißverstanden. Mein Problem ist es nicht, beleidigt zu sein. Ich plädiere ausdrücklich nicht für die Absetzung der Inszenierung, die ich freilich nicht nur für geschmacklos, sondern für einfältig und schlicht idiotisch halte ("erst wenn alle Religionen ausgerottet sind - Rübe ab! - herrscht Friede auf Erden"), sondern ich kritisiere die von der Intendantin vorgetragene Begründung dafür. Ich halte diese Begründung in ihrem jämmerlichen, selbstvergessenen Opportunismus für typisch und verurteile diese feige und würdelose Mentalität, aus der sie herkommt.

Wer für Redefreiheit einsteht, muß dies freilich auch und gerade dann tun, wenn ihm diese Rede nicht gefällt, zum Beispiel die Rede, daß diese blöde Inszenierung nunmal auf Kosten der Gefühle anderer Leute geht. Nur Einzelpersonen könnten beleidigt werden, sagst du? Wie fändest du denn eine Inszenierung, in der nicht dir persönlich, sondern allen Schwulen als "diffuser Gruppe" die Kehle durchgeschnitten wird, weil danach angeblich alles viel besser sei? Nicht schön, die Idee, oder? Es hängt von den Zeitumständen ab, wie weit der Weg jeweils wäre, daß man dies dann auch tatsächlich täte. Das gilt freilich auch im gegebenen Fall. Und das genau ist es, was manche Menschen daran so beunruhigt. Die Inszenierung steht ja nicht für sich allein, sondern in einem entsprechenden, zeitgeistigen Kontext.

Quatsch, ich hielte es in keinem Fall für sinnvoll deswegen die Redefreiheit
einzuschränken oder in putativem Einlenken so etwas gar nicht erst zu produzieren.

Das glaube ich dir und wir sind uns da doch einig. Habe ich denn etwa nach einem Verbot der Inszenierung gerufen? Nach einer Einschränkung der Redefreiheit? Nein, ich nehme letztere bloß wahr. Redefreiheit besteht keineswegs darin, daß ein Idiot idiotisches Zeug daherfaseln, aber nicht dabei gestört werden darf dadurch, daß ein anderer dies idiotisch nennt, sondern vielmehr darin, daß letzterer dies so nennen darf. Die Behauptung, eine solcherart wahrgenommene Redefreiheit des Zweiten sei bereits eine Einschränkung der Redefreiheit des Ersten, IST eine Einschränkung der Redefreiheit. Solche Argumentationsfiguren sind subtil totalitär unter Berufung auf eine "Freiheit", die darin bestünde, selbst ungestört tun und lassen zu dürfen, was der, der dies kritisiert, nicht tun, sondern nur lassen darf.

Ich finde es unverschämt und geschmacklos, daß du mir unterstellst,
ich richtete meine Werte nach Opportunität und Risiko aus. Dem ist
keineswegs so. Ich finde Scholl-Latours Haltung: "Mohamed enthaupten:
Ja, keine Rücksicht auf Muslime - Jesus enthaupten: Nein, mit Rücksicht
auf die Christliche Kultur" Deutlich opportunistischer als meine Position.

Unverschämt und geschmacklos? Sieh es doch einfach als eine Inszenierung von mir über ein bekanntes Stück, das jeder kennt! :-) Scholl-Latours Haltung ist es ausdrücklich nicht, eine "Enthauptung" Mohameds ginge schon in Ordnung, ganz im Gegenteil, sondern er kritisiert die Selbstvergessenheit des Westens, der dies bei den eigenen Wurzeln tut und geradezu krankhaft beklatscht, aber sofort kläglich einknickt, sobald andere im Falle, daß man ihnen ihre Wurzeln abzuhacken ankündigt, mit Gewalt drohen. Er sieht den inneren Zusammenhang dieser beiden pathologischen Phänomene. Und genau den sehe ich auch. Darum geht es hier.

Auch in diesem Forum existieren einige Threads, in denen grenzdebile, völlig abgedrehte Hilfs-Islamisten ihre illustrierenden und erheiternden Beiträge darüber, wieviel schöner es unter dem Islam wäre, unter sich gelassen haben. Kann ja jeder nachlesen, wenn er mag.

Keine Kultur? Ich würde sagen das säkulare Recht, der aufgeklärte Staat,
das sind Elemente europäischer Kultur für die ich eintreten kann.

Dafür trete ich auch ein, denn es ist zur Reife gelangtes Christentum: Früchte des christlichen Abendlandes. Aber es sind zivilisatorische Formen, nicht kulturelle Inhalte. Das tödliche Dilemma, in das uns der atheistische Säkularismus als totalitäre Ideologie geführt hat ist, daß diese Formen nun nicht mehr mit Inhalt gefüllt werden. Bei einer Kultur geht es aber nunmal um die ganz spezifischen Inhalte, die ja die Kultur erst begründen. Und die kann man sich nicht aussuchen, sondern die sind ererbt und können nur - und müssen - gestaltet werden. Die Inhalte europäischer Kultur, so sage ich, wurden mutwillig zerstört zu Gunsten einer vermeintlichen Freiheit des bindungslos gewordenen Individuums, die darin bestünde, tun und lassen zu dürfen, was man will und die Konsequenzen dieses infantilen Egoismus "irgendwohin" zu verschieben. Die subjektive Sicherheit in dieser lieblosen, destruktiven Haltung all dem gegenüber, was wir ererbt haben, gründet in der irrtümlichen Annahme, der eigene, physische Tod höbe alles und damit auch die Verantwortung für die Konsequenzen des eigenen Handelns auf. Dem ist nicht so.

Die Konsequenzen treten inzwischen ja bereits unübersehbar ein und fallen in dem Maße, wie sie sichtbar werden, natürlich auf die zurück, die dies alles gewollt und propagiert und deshalb zu verantworten haben. Eine jener sichtbar werdenden Konsequenzen ist zum Beispiel Thema dieses Forums: der alles korrumpierende und pervertierende Feminismus. Eine andere Konsequenz ist jene von Scholl-Latour beschriebene Unfähigkeit des Westens zu einem gewaltfreien Dialog mit dem Islam. Nur wird die Gewalt jetzt eben, der selbst erzeugten Impotenz wegen, nicht mehr wie früher ausgeteilt, sondern mehr und mehr eingesteckt. In dieser Konstellation zeigt sich erst die ganze, haltlose Verkommenheit, in die Europa seiner Selbstvergessenheit wegen geraten ist.

Genau daraus leitet sich meines Erachten jeglicher Anspruch ab.
Wäre Europa nicht "Gottlos", dann sähe es bei uns genauso aus,
wie es im schlimmsten Fall in einem Islamischen Land aussieht.
Wer nicht durchblickt, warum sich Shiiten und Sunniten bekriegen,
der werfe mal einen Blick zurück zur Reformation.

Ein säkularer Staat und die Gottlosigkeit einer Gesellschaft sind nicht eine, sondern zwei Sachen. Die Trennung von weltlicher Macht und Religion ist urtümlich christlich ("gebt dem Kaiser, was des Keisers ist") und das Ringen um diese Trennung durchzieht deshalb die Geschichte des Abendlandes (und nur die des Abendlandes). Die Reformation war in der Frage übrigens ein verhängnisvoller Rückschritt, indem sie die Universalität der Kirche der elenden Verbindung von Thron und Altar opferte. "Staatskirchen" sind eine Erfindung der Reformatoren, und ihr Antipode war und ist der römische Universalismus. Der säkulare Staat wird verspielt, wenn aus der Trennung von Staat und Religion die Abschaffung der Religion durch den Staat wird, wie es in verschiedenen Formen seit gut 200 Jahren geübt wird. Ein solcher Staat schafft sich damit letztlich selbst ab, weil er kulturellen Selbstmord begeht. Es liegt auch hier wieder das Mißverständnis zugrunde zu meinen, man könne tun und lassen, was man will. Man kann es nicht, weil dann unerbittlich eintritt, was man nicht will.

Ich halte mich nicht für unfähig, mit Moslems einen Dialog über die
Aufklärung zu führen. Oder über die Säkularisierung. Es kommt nur
darauf an, diesen Dialog tatsächlich zu führen.

Auch ich halte dich nicht für unfähig, einen solchen Dialog zu führen, soweit dein Dialogpartner ein Christ ist. Ich halte dich allerdings für total unfähig, Moslems dazu zu bringen, den Dialog mit "euch" zu führen. Sie werden es schlicht und einfach nicht tun, weil ihr das eigentliche Problem nicht erkennen könnt, sondern es leugnet. Das Problem besteht nicht darin, wie man die Religion abschafft, denn das kann aus prinzipiellen Gründen nie funktionieren, sondern wie man sie verwirklicht. Das Christentum, euer eigenes Erbe, habt ihr ausgeschlagen. Ihr habt euch damit freilich leider jämmerlich ins eigene Knie geschossen, sitzt nun bewegungsunfähig in eurem Rollstuhl und müßt impotent dabei zusehen, wie ihr eine Religion verpaßt kriegt, die euch nicht mehr machen läßt, was ihr wollt. Das ist eine Tragödie, in der Tat. Aber sie betrifft die, die sie heraufgeführt haben. Sage keiner, Gott sei nicht gerecht.

Sorry, Nick, aber was jemand glaubt kann sich diese Person selbst
aussuchen (Dank 1789). Und im Gegensatz zu den Wissenschaften,
bei denen eben nicht nach glauben gefragt wird, sondern nach
reproduzierbaren Resultaten, kann auch niemand klar erkennen ob
jemand ein Christ, Muslim oder... ist, außer an der selbst erwählten
Identifikation mit diesem Glauben.

Freilich, Susu, was jemand glaubt, darf er sich selbst aussuchen. Ich begrüße das ausdrücklich, denn es ist verwirklichtes Christentum. Ich weise lediglich darauf hin, daß er damit automatisch auch die Konsequenzen seiner Wahl mitwählt und sie zu tragen hat. Redefreiheit nennt man, was ich wahrnehme, wenn ich darauf hinweise.

Mit deinem letzten Satz reißt du am Schluß ein ganz neues, eigenes Thema an, das ich hier nicht weiter ausführen kann. Aber der grundsätzlichen Bedeutung wegen doch wenigstens eine paar Sätze dazu.

Wissenschaften sind nicht die ganze Vernunft, sondern nur ein kleiner Teil von ihr. Wo reproduzierbare Resultate möglich sind, ist es vernünftig, nach ihnen zu suchen und sie zu studieren, denn man erfährt etwas über die Welt, in der man lebt, wenn man es tut. Aber man begreift sie nicht, denn es sind grundsätzlich Bilder, die man gewinnt, nicht die Wirklichkeit selbst. Die Annahme, lediglich das, was reproduzierbare Resultate liefere, sei wirklich, ist keineswegs vernünftig, sondern verrückt. Die Wirklichkeit hat überhaupt keinen Grund, auf die Grenzen unseres Fassungsvermögens Rücksicht zu nehmen. Täte sie es übrigens, dann gäbe es uns überhaupt nicht (ein nettes Paradoxon, nebenbei :-)).

Religion bedeutet, ganz allgemein formuliert, nichts weniger, als Kommunikation mit jenem Teil der Vernunft, der die unsere übersteigt. Dem hierarchischen Wesen dieser Kommunikation entsprechend liegt die Initiative notwendigerweise ganz allein bei der anderen Seite, denn wir können sie ja sowieso nicht begreifen. Nach Habermas ist die religiöse "musikalische Begabung" zwar nicht bei jedem in gleicher Weise ausgeprägt und sich selbst bezeichnete er in jenem Disput mit Kardinal Ratzinger als unbegabt, aber man kann und sollte, wie ich finde, auch das üben und lernen, denn das geht. Statt dessen aber anzunehmen und zu behaupten, das, was ich zufällig nicht begreifen kann, sei nicht existent, ist einfach nicht vernünftig, sondern infantil.

Daß sich die Wissenschaften auf das beschränken, was ihren Methoden zugänglich ist, ergibt sich schlicht und einfach aus der Logik der Sache selbst und ist ihre erste, axiomatische Voraussetzung. Nichts berechtigt dazu, daraus den irren Fehlschluß zu ziehen, das, was dieser naturgegebenen Einschränkung gemäß dann an Wirklichkeit erkannt wird, sei die ganze Wirklichkeit. Dieser Fehlschluß wurde aber gezogen und liegt dem zugrunde, was sich "wissenschaftliche Weltanschauung" nennt und die den Atheismus zu begründen versucht. Fehlschlüsse können aber natürlich überhaupt nichts begründen, sondern führen zu Ideologien. Und die führen in die Irre. Man kann sehr wohl sagen, daß "Wissenschaft als Weltanschauung" das äußerste Gegenteil von Wissenschaft und deshalb unvernünftig ist, denn als Ideologie verrät sie das Prinzip, nur Aussagen über Phänomene zu machen, die erforschbar und erforscht sind.

Der Umgang mit "dem Rest" unterliegt eo ipso völlig anderen Regeln. Daß man keine diskursiven oder analytischen Wege dorthin findet, liegt in der Sache selbst begründet und ist deshalb nicht zu ändern, so wenig, wie es beispielsweise zu ändern wäre, daß ein Analphabet, der nicht lesen, schreiben und rechnen kann, keinen Zugang zur Physik findet. Außer er lernt lesen, schreiben und rechnen. Wer sich für die Regeln über "den Rest" der Wirklichkeit nicht interessiert und diese möglicherweise sogar abstreitet, der streitet den entsprechenden Teil der Wirklichkeit ab. Das kann um so weniger gutgehen, als es sich bei "dem Rest" um den ungleich größeren Teil der Wirklichkeit handelt. Eine Gesellschaft, die auf einem derart grotesken Irrtum aufzubauen versucht, kann nur in Nullkommanix zusammenbrechen. Genau dies geschieht nun. Wenn die einst gutgefüllte Vorratskammer leergefuttert ist, kommt der Hungertod.

Aber ein paar Kekse hab ich noch... :-)

Gruß vom
Nick


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