Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Scholl-Latour: Zu unserer Kultur stehen!

susu, Saturday, 07.10.2006, 19:36 (vor 6621 Tagen) @ Chato

Wenn ein Theaterstück geschmacklos sein darf, ja vielleicht sogar sein
sollte, wie du sagst, dann widersprichst du Scholl-Latour folglich nicht,
sondern stimmst ihm zu, wenn er es geschmacklos nennt?

Nein. In der Frage ob die Inszenierung geschmacklos ist halte ich mich zurück. Der Grund: Ich habe die Inszenierung nicht gesehen. Wer es für sinnvoll hält über einen Teil eines Kunstwerks ohne Kenntnis des Ganzen Geschmacksurteile fällen zu können hat ein anderes Kunstverständnis als ich. Eins zu eins ist lange vorbei.

Ich auch. Für
diejenigen, auf deren Kosten solche Geschmacklosigkeiten gehen, ist es
freilich keine "Geschmacksfrage" - und deshalb auch für alle anderen mehr
als nur das.

Auf wessen Kosten geht es denn? Ich finde es beeindruckend wie Leute getroffen aufheulen, denen die Oper sonst komplett am Allerwertesten vorbei geht. Genau wie sich Leute ab und an vor Museen versammeln um die dort gezeigte "geschmacklose" Kunst zu verurteilen, die noch nie einen Fuß in dieses Museum gesetzt hätten.

Wenn Dich jemand eine "schwule Sau" nennt, dann ist das ja
auch nicht lediglich eine "Geschmacksfrage" - nicht bloß für dich. Exakt
das ist es, was Scholl-Latour eigentlich zum Ausdruck gebracht hat.

Wenn mich jemand schwule Sau nennt, ist das eine Beleidigung. Der Unterschied ist, das es sich bei mir um eine Einzelperson handelt und das der Begriff in beleidigender Absicht gebraucht wird. Der Versuch das gleichzustellen mit künstlerischen Darstellungen die eine diffuse Gruppe unter Umständen nicht gefällt ist Unsinn und würde die Redefreiheit völlig aushebeln.

Deine Art des Einwands läuft im Grunde darauf hinaus, daß eine Beleidigung
bei jemandem, der deswegen keine Selbstmordattentäter losschickt,
"mutig" und eine "Geschmacksfrage" ist, während sie bei jemandem, der dies
erfahrungsgemäß tut oder tun könnte, eine Sicherheitsfrage ist, deretwegen
man ggf. eine Operninszenierung absetzt.

Quatsch, ich hielte es in keinem Fall für sinnvoll deswegen die Redefreiheit einzuschränken oder in putativem Einlenken so etwas gar nicht erst zu produzieren.

Oder eben auch mehr, falls
erforderlich. Wer seine "Werte" derart nach Opportunität und Risiko
ausrichtet, hat keine. Und genau diese Doppelmoral der Atheisten im Westen
disqualifiziert sie für den Dialog mit dem Islam, vor allem in den Augen
der Moslems selbst. Für einen Dialog braucht man aber zwei, nicht einen,
außer der Eine sitzt am längeren Machthebel. Aber dann ist es halt kein
Dialog. Genau diese Zusammenhänge hat Scholl-Latour zum Ausdruck
gebracht:

Ich finde es unverschämt und geschmacklos, daß du mir unterstellst ich richtete meine Werte nach Opportunität und Risiko aus. Dem ist keineswegs so. Ich finde Scholl-Latours Haltung: Mohamed enthaupten: Ja, keine Rücksicht auf Muslime Jesus enthaupten: Nein, mit Rücksicht auf die Christliche Kultur. Deutlich opportunistischer als meine Position.

"1789" könnte diese Herausforderung bestehen, meinst du? Dem stimmt
Scholl-Latour ebenso wenig zu wie ich. Die französische Revolution hat
keine Kultur begründet, sondern eine Zivilisation, welche die christliche
Kultur, von der sie zehrt, zerstört.

Keine Kultur? Ich würde sagen das Säkuläre Recht, der aufgeklärte Staat, das sind Elemente europäischer Kultur für die ich eintreten kann.

Welche Argumente kann "1789" denn ins
Feld führen im Disput mit Moslems, für die dieses Datum die Gottlosigkeit
schlechthin ist?

Genau daraus leitet sich meines Erachten jeglicher Anspruch ab. Wäre Europa nicht "Gottlos", dann sähe es bei uns genauso aus, wie es im schlimmsten Fall in einem Islamischen Land aussieht. Wer nicht durchblickt, warum sich Shiiten und Sunniten bekriegen, der werfe mal einen Blick zurück zur Reformation.

Welche Argumente, außer der Guillotine? G.W.Bush versucht
genau dies und kann damit nur scheitern. Alternative? Ich meine nicht
'theoretisch', sondern praktisch, also so, daß es den anderen mit
Argumenten davon überzeugt, daß 1789 nicht schlechthin gottlos gewesen
ist, sondern dies nur dann ist, wenn es so interpretiert wird - also so,
wie die Atheisten es interpretieren. Exakt deshalb sind Atheisten unfähig,
mit Moslems einen Dialog über die Errungenschaften von 1789 zu führen. Das
wollte Scholl-Latour ersichtlich zum Ausdruck bingen, und ich stimme ihm
darin zu.

Ich halte mich nicht für unfähig mit Moslems einen Dialog über die Aufklärung zu führen. Oder über die Säkularisierung. Es kommt nur darauf an, diesen Dialog tatsächlich zu führen.

Du wendest ein: "Bush ist aber doch Christ und kein Atheist!"? Das ist
analog zum Einwand, Islamisten seien Moslems. Letzterem widersprechen die
Moslems, ersterem die Christen. Das gleiche gilt für deine 'Argumente'
hinsichtlich "christlicher Milizen" im Libanon. Ob jemand Christ ist oder
Moslem, kann der Betreffende sich nicht selber und alleine aussuchen, wie
er lustig ist, sondern dafür gibt es Kriterien. Ein Astrologe ist
schließlich kein Kosmologe und ein Esoteriker kein Wissenschaftler, auch
wenn er sich vielleicht so nennt - um an einem dir geläufigeren Beispiel
zu verdeutlichen, wovon hier die Rede ist.

Sorry, Nick, aber was jemand glaubt kann sich diese Person selbst aussuchen (Dank 1789). Und im Gegensatz zu den Wissenschaften, bei denen eben nicht nach glauben gefragt wird, sondern nach Reproduzierbaren Resultaten, kann auch niemand klar erkennen ob jemand ein Christ, Muslim oder... ist, außer an der selbst erwählten Identifikation mit diesem Glauben.

susu


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