Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Rechnen wir mal kurz

Garfield, Thursday, 21.07.2005, 21:07 (vor 7057 Tagen) @ Querdenker

Als Antwort auf: Rechnen wir mal kurz von Querdenker am 21. Juli 2005 13:10:

Hallo Querdenker!

Bedenken muß man weiterhin, daß unser abgewirtschaftetes Rentensystem mit einem Renteneinstiegsalter von höchstens 65 Jahren nicht mehr lange finanzierbar sein wird. Also wird das Renteneinstiegsalter zwangsläufig angehoben werden müssen.

Das verändert schon einmal das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern, in der Theorie jedenfalls.

In der Praxis sehe ich da folgendes Problem: In vielen Branchen findet man heute schon im Alter von 45 keine Stelle mehr. Ein Beispiel: Ein Ex-Kollege meines Vaters (gelernter Maurer) suchte eine Stelle. Dafür rief er einmal eine Firma an. Man fragte ihn, wie alt er ist. Er war schon über 40, sagte das auch ehrlich, und die Antwort darauf lautete: "Mann, dann klappern ja deine Knochen schon!" Den Job hat er natürlich nicht bekommen, genausowenig wie alle anderen Jobs, um die er sich beworben hat.

Klar - wenn es immer weniger junge Arbeitssuchende gibt, wird die Wirtschaft notgedrungen auf ältere Menschen zurück greifen müssen. Dann hat man irgendwann vielleicht mit 45 wieder eine Chance. Aber mit 65?

Es gibt mittlerweile sogar Firmen, die bevorzugt ältere Menschen einstellen. BMW zieht im Südosten Deutschlands jetzt ein neues Werk auf, und sie stellen dafür bevorzugt Menschen über 50 ein. Sie begründen das natürlich gern damit, daß man diesen älteren Menschen auch eine Chance geben müsse, daß sie viel Berufserfahrung hätten usw. Der wahre Grund liegt aber ganz woanders:

Heute wird in der Wirtschaft nur noch für einige Jahre voraus geplant. Die Großunternehmen wollen nämlich immer weiter steigende Profite realisieren, aber die Entwicklung ist heute oft so rasant, daß man überhaupt nicht vorhersehen kann, wie sich die Gewinne entwickeln werden. Also muß man heute immer einkalkulieren, ein Werk in ein paar Jahren wieder zu schließen oder die Produktion zumindest herunter zu fahren. Wenn man dann hunderte Beschäftigte entlassen muß, bringt das negative Schlagzeilen. Obendrein kostet das auch noch Geld für Abfindungen, Sozialpläne und ähnliches. Ältere Beschäftigte dagegen wird man durch natürliche Fluktuation garantiert in einigen Jahren wieder los. Die gehen dann in Rente, und notfalls kann man sie noch ohne großen Aufwand in Vorruhe schicken, oder in Altersteilzeit. Das ist billiger und bringt auch keine negativen Schlagzeilen.

Alte Menschen könnten in Zukunft also wieder besser auf dem Arbeitsmarkt dastehen. Zumal sie den jungen Menschen etwas voraus haben: Sie haben häufig sowohl eine gute Qualifikation als auch viel Berufserfahrung. Immer mehr jungen Menschen fehlt heute meist eines von beiden, oft auch beides.

Dann gibt es aber noch etwas, was man dabei bedenken muß: Die Automatisierung von Produktion und Dienstleistungen wird immer weiter voran schreiten. Es wird in Banken, Krankenkassen, Behörden usw. bald keine Schalter mit Menschen dahinter mehr geben. In Supermärkten wird es auch bald keine Kassierer mehr geben. Die Technologie dafür existiert und wird zunehmend eingeführt. Im Ruhrgebiet werden bereits seit Jahren vollautomatische unterirdische Transportsysteme erprobt. Es gibt bereits Roboter, die mauern können. Usw. Kaum ein Bereich wird davon verschont bleiben.

Sicher - diese neuen Technologien schaffen immer auch neue Erwerbsmöglichkeiten. Aber sie schaffen weniger Erwerbsmöglichkeiten, als sie vernichten. Genau das ist ja Sinn und Zweck der Sache, denn sonst würde sich das Ganze ja gar nicht bezahlt machen. Und das ist der wesentliche Grund für den kontinuierlichen Anstieg der Erwerbslosigkeit in den letzten Jahrzehnten.

Die große Frage besteht darin, wie wir es schaffen können, aus dieser Entwicklung etwas Positives zu machen.

Wenn man das nämlich schafft, dann hat man diverse andere Probleme gleich automatisch mit gelöst. Beispielsweise auch das Rentenproblem.

Und auch die Gleichberechtigungsproblematik würde sich dann deutlich entschärfen. Man kann heute noch so oft fordern, daß auch Frauen auf Vollzeit arbeiten sollen - das bringt überhaupt nichts, solange es eben nicht genügend Erwerbsmöglichkeiten für alle gibt.

Die Politiker lenken die Diskussion darüber gern in falsche Richtungen, möglichst auch noch so, daß verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. Am Rentenproblem sind dann die bösen Kinderlosen schuld, an der Arbeitslosigkeit die Gewerkschaften und natürlich auch die Beschäftigten, die sich doch tatsächlich erdreisten, weiterhin auch noch Geld für ihre Arbeit haben zu wollen, die bösen Männer gönnen angeblich den armen Frauen eine eigene berufliche Karriere nicht usw.

Das ist alles Humbug, und es lohnt sich eigentlich gar nicht, lange darüber nachzudenken. Die große Frage unserer Zeit ist diese: Wie kriegen wir es hin, daß die Maschinen im Interesse der Allgemeinheit arbeiten? Daß sie das tun, wozu sie eigentlich da sein sollten - uns lästige Arbeit abzunehmen?

Freundliche Grüße
von Garfield


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