Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Rechnen wir mal kurz

carlos, Tuesday, 26.07.2005, 22:44 (vor 7052 Tagen) @ Garfield

Als Antwort auf: Re: Rechnen wir mal kurz von Garfield am 26. Juli 2005 13:35:22:

Servus, Garfield!

*Du hast ja durchaus recht. Aber ein großes Teil des Puzzles übersiehst du, nämlich den Anteil, den unsere Wirtschaftslenker an den bestehenden Problemen haben.*

Du müßtest schon genau differenzieren, wen du da genau meinst. Die Multis – einverstanden; die bilanzieren schon längst woanders und zahlen hierzulande so gut wie gar keine Steuern mehr. Von den Multis habe ich aber gar nicht geschrieben, sondern vom Mittelstand. Er ist der größte Arbeitgeber und auch der größte Zahlesel der Republik.

*Es sind nämlich nicht Gewerkschaften, die Löhne drücken und Personal entlassen, und auch nicht der Staat. Das tun die Bosse in den Chefetagen der Wirtschaft, auf daß die Profite immer weiter wachsen.*

Doch, das sind schon die Gewerkschaften. Die sitzen in allen Gremien mit drin und sorgen mit dafür, daß alles beim alten bleibt; sie sorgen auch dafür, daß von der zusätzlich erstreikten Mark kaum mehr als jene 30 % übrigbleiben. Es sind auch zudem solche Figuren, wie jener Gewerkschafter bei VW, der sich die Taschen füllte, jener Klaus Zwickel (Ex-IG-Metallboß) der beim Deal mit Vodafone kräftig abgesahnt hat, genauso, wie auch schon sein Vorgänger Hans Mayr, der sich die Taschen mit Insidergeschäften gefüllt hat... undundund... Wer solche Kerle an der Spitze der Gewerkschaften haben will und sie mit seinen Beiträgen auch noch alimentiert, der ist selber schuld. Tarifverträge gelten aber auch für Verbandsmitglieder aus dem Mittelstand. Ich kann jeden verstehen, der beim Arbeitgeberverband austritt. Nochmals, Garfield: Differenzieren zwischen Multis und Mittelstand!

*Wenn Deutschland durch die angeblich so hohen Lohnkosten nicht konkurrenzfähig ist - wie erklärst du dir dann, daß die deutschen Exporte nach wie vor gut laufen? Und wenn die angeblich so hohen Lohnkosten der Grund für den Personalabbau sind - wie erklärst du dir dann, daß keineswegs nur Unternehmen, die Verluste einfahren, Personal entlassen, sondern daß auch viele der Unternehmen, die jährlich neue Rekord-Gewinne melden, immer mehr Personal abbauen?*

Also Garfield... der Mittelstand ist mein Thema...! Garfield! Woher kommt denn dann die hohe Pleite-Welle? Sind die alle nur zu böse? Glaubst du, die haben alle nichts besseres zu tun, als zum Konkursrichter zu latschen?

*Tatsächlich sind die Unternehmensgewinne immer stärker gestiegen als die Löhne und Gehälter.*

Dito. Bitte differenzieren! Mittelstand!

*Außerdem profitiert die deutsche Wirtschaft ja auch sehr vom hohen Qualifikationsniveau und von der guten Infrastruktur hierzulande. Dafür wird viel Geld investiert - Steuergeld selbstverständlich. Auch das sorgt mit dafür, daß die Steuern- und Abgabenlast in Deutschland so hoch ist. Merkwürdigerweise habe ich seitens der Wirtschaft noch keine Forderungen nach Senkung der Ausgaben für Ausbildung und Infrastruktur gehört.*
Von ersterem habe ich nicht das Gegenteil behauptet. Die Infrastruktur geht momentan übrigens in Klump; marode Straßen werden nicht mehr renoviert, weil kein Geld mehr da ist. Die Abgabenlast ist deswegen so hoch, weil der Staat keinen Spielraum mehr hat, die Steuern zu senken; sonst kann er seinen Schuldendienst nicht mehr bedienen. Hartz 4 kam zudem viel zu spät; jahrelang hat man Kostgänger ohne große Not mit durchgefüttert, nur, weil’s politische Wählerstimmen gebracht hat. An die Pleite, wie etwa jetzt die der Rentenkassen, hat keiner einen Gedanken verschwendet.
Stichwort Steuerprogression. Höchstinstanzlich urteilte der Bundesfinanzhof 2001, daß die Gesamtsteuerlast auch 65% übersteigen dürfte. Diesen Satz zahlt man im Rahmen der Steuerprogression viel schneller, als du glaubst! Auch der kleine Metzgerladen aus Schnarchdorf an der Knarze zahlt den! 65% Steuerlast... das hat den Boden jeder Besteuerung verloren, das ist teilweise staatliche Enteignung.
Stichwort nochmals Qualifizierung: „Liebherr“ war früher einmal ein erfolgreicher deutscher Elektro-Konzern, bis er von unfähigen Idioten in die Buddelkiste gesetzt wurde. Chinesische Investoren kauften sich den Konzern samt Rechten, nannten ihn fortan „Haier“ und bauten ihn aus. „Haier“ stellt mittlerweile selbst entwickelte, erstklassige, elektronische Spitzenprodukte her, und das zu akzeptablen Preisen. Den Weltmarkt werden sie damit noch aufmischen... Industrie-Messen mit Produkten von „Haier“ vermitteln einen Vorgeschmack davon, was noch auf uns zukommt...

*Und wenn du wissen möchtest, wie es ohne Tarifverträge und Gewerkschaften läuft, dann brauchst du nur in die neuen Bundesländer fahren. Die Masse der kleinen und mittleren Unternehmen hat dort noch niemals Tariflöhne gezahlt. Da werden teilweise auch schon Krankheitstage auf den Urlaub angerechnet. Und von Weihnachts- und Urlaubsgeld können viele Beschäftigte dort nur träumen. Es ist auch durchaus nicht selten, daß man noch nicht mal einen Arbeitsvertrag bekommt, wenn man irgendwo eingestellt wird. Eigentlich müßte dort doch schon längst ein gewaltiger Boom ausgebrochen sein - nur offensichtlich funktioniert das nicht. Wie erklärst du dir das*

Meine stehende Rede; genau. Viele Arbeitnehmer im Osten sehen die dünne Auftragslage, weswegen Jürgen Peters mit seinem Streik ja glücklicherweise gescheitert war. Not lehrt denken! Anstatt Tariflöhne einzufordern, in der Folge die Pleite des Betriebes und die eigene Arbeitslosigkeit zu riskieren, arbeiten eben viele untertariflich.
Wäre der Staat nicht so pleite, dann müßte er, abgesehen von einer generellen Vereinfachung und der Abschaffung der Bagatellsteuern, deren Erhebung schon mehr kosten, als sie erbringen, die Lohnsteuer, gemessen an Progression und Ertrag, durchweg halbieren. Eine Hälfte geht an den Staat, die andere Hälfte verbleibt ihrerseits, wiederum jeweils hälftig, bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Und schon hätte jeder Geld in der Tasche, um auch nur halbwegs mit dem Rest der Welt konkurrieren zu können. Früher hat der Staat einmal den „Zehnten“ verlangt... Vergangene Zeiten...
Die Sache ist doch im Grunde recht einfach, Garfield: Es gibt Mittelständler, die der direkten Konkurrenz mit Ost-Europa ausgesetzt sind; andere (momentan noch) nicht (so sehr; je nach Lage). Gestern in „Fakt“: Ein deutscher LKW-Fahrer kostet den Arbeitgeber mehr als doppelt so viel wie zwei Tschechen. Und ab 2007 dürfen rein ost-europäisch besetzte LKWS auch rein innerdeutsche Strecken bedienen. Der Arbeitgeber kann so sein Führerhaus mit zwei Ostlern besetzen, die sich, laut Gesetz, nach so und so viel Stunden hinterm Steuer abwechseln können.
*Wenn viele Ostdeutsche PDS oder WASG wählen, dann hängt das kaum mit der DDR-Vergangenheit zusammen, sondern vor allem mit der dort real existierenden neoliberalen Gegenwart.*

Was im Osten falsch gelaufen ist habe ich schon mehrfach erörtert. Bedankt euch bei Herrn Kohl, dem ihr die „blühenden Landschaften“ abgekauft habt. Die Ossis sollen ruhig PDS, also die Pleitiers und Mörder von gestern, wählen und sehen, was dann passiert. Wenn deswegen – um mir gewaltsam nur eine positive Konsequenz auszumalen - auch nur ein einziger Arbeitsplatz entsteht, fresse ich einen Besen samt Putzfrau.

carlos


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