Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Rupp´sche Erklärungsnot - durchsichtig!

Jörg Rupp, Thursday, 16.12.2004, 17:42 (vor 7454 Tagen) @ Max

Als Antwort auf: Re: Rupp´sche Erklärungsnot - durchsichtig! von Max am 16. Dezember 2004 13:48:07:

Mäxle,

also gut, du kriegst Deinen Text:

4. Die Legitimation zur öffentlichen Finanzierung

Die Politischen Stiftungen sind ein wichtiger Teil der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Sie leisten für das Gemeinwesen nützliche Arbeit (Kommissionsgutachten), so dass deren staatliche Förderung im öffentlichen Interesse liegt (BVerfG 2 BvE 5/83). Die Legitimation Politischer Stiftungen wird deutlich, wenn man ihre Aufgaben von den Funktionen politischer Parteien und dem Bildungsauftrag des Staates abgrenzt.

a) Die Politischen Stiftungen sind privatrechtlich konstituierte Organisationen, die unabhängig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit Leistungen erbringen, die im öffentlichen Interesse liegen, aber vom Staat selbst nicht wahrgenommen werden können. Die Tätigkeit der Politischen Stiftungen hat ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 9 Abs. 1 GG, soweit es ihre vereinsrecht-liche Organisation betrifft, und in Art. 12 Abs. 1 GG bezogen auf ihre Funktion, die professionelle, auf Dauer angelegte gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit.

Die Tätigkeit der Politischen Stiftungen hat ihre verfassungsrechtliche Grundla-ge nicht in Art. 21 GG. Die dort genannten politischen Parteien nehmen an der politischen Willensbildung, vornehmlich durch und im Hinblick auf die Beteiligung an den Wahlen teil. Sie sammeln die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen, gleichen sie in sich aus und formen sie zu Alternativen, unter denen die Bürger wählen können. Sie beeinflussen die Bildung des Staatswillens, indem sie in das System der staatlichen Institutionen und Ämter hineinwirken, und zwar insbesondere durch Einflussnahme auf die Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung (BVerfG 2 BvE 5/83; BVerfGE 52, 63 – 82 ff).

Von diesem auf Erringung politischer Macht und deren Ausübung gerichteten Wettbewerb der Parteien heben sich Zielsetzung und Tätigkeiten der Politischen Stiftungen deutlich ab. Ihre politische Bildungsarbeit soll die Beschäftigung der Bürger mit politischen Sachverhalten anregen und den Rahmen bieten für eine – allen Bürgern – zugängliche Diskussion politischer Fragen (BVerfG 2 BvE 5/83).

b) Die gesellschaftspolitische Bildungsarbeit der Politischen Stiftungen im In- und Ausland steht zwar im öffentlichen Interesse, ist aber keine öffentliche Aufgabe. Dies ergibt sich aus dem Subsidiaritätsprinzip, das den Bildungsauftrag im freiheitlichen Gemeinwesen und in besonderer Weise prägt: Das grundgesetzliche Gemeinwesen, das auf der Freiheit des Bürgers und dem Pluralismus der gesellschaftlichen Kräfte gründet, lebt davon, dass die Freiheit gemeinwohlgerecht ausgeübt wird. Was aber gemeinwohlgerecht ist, steht – abgesehen von wenigen ethischen und verfassungsrechtlichen Spielregeln – nicht von vorneherein fest, sondern steht zur politischen Disposition und ist Gegenstand demokratischer Auseinandersetzung. Politische Diskussionen und politische Entscheidungen setzen Information und ethisch-politische Orientierung voraus. Die verantwortliche Wahrnehmung der Freiheit ist nicht möglich ohne Erziehung zur Freiheit. Politische Bildung ist folglich das notwendige Pendant zur politischen Freiheit.

Daraus folgt, dass der freiheitliche Staat durch die Verfassung einen politischen Bildungsauftrag hat. Seine Zuständigkeit ist aber weder ausschließlich noch umfassend. Der freiheitliche Staat ist nicht Erziehungsdiktatur; er hat nur eine subsidiäre Bildungskompetenz gegenüber den Grundrechtsträgern, die sich in freier Selbstbestimmung und offener Kommunikation miteinander bilden. Der Staat hat die grundrechtlich geschützte Autonomie der Bürger und der gesellschaftlichen Kräfte zu respektieren. Er darf nicht die private Bildungsarbeit durch eigene Maßnahmen verdrängen (vgl. BVerGE 44, 125 – 138 ff). Staatliche Einrichtungen dürfen nicht Aufgaben an sich ziehen, die von Grundrechtsträgern eben so gut erfüllt werden können und erfüllt werden (BVerGE 38, 281 – 302). Die politische Bildungsarbeit wird also verfassungsrechtlich durch das Subsidiaritätsprinzip begrenzt.

Der Bildungsauftrag, den der Staat selbst wahrnehmen kann, beschränkt sich deshalb auf das Allgemeine, den gesellschaftlichen Grundkonsens, dessen Kern die Grundwerte der Verfassung ausmachen. Gleichwohl lebt er aus der politischen Kultur, deren gesellschaftliche und politische Wurzeln sich seiner Gewalt entziehen. Politische Bildungsarbeit sichert den Fortbestand des freiheitlichen, pluralistischen Gemeinwesens. Der Staat verstößt nicht gegen seine Neutralitätspflicht, wenn er die Bildungsarbeit von Grundrechtsträgern finanziell unterstützt. Der Staat darf finanziell unterstützen, was er nicht selbst leisten darf, und anregen, was er nicht erzwingen könnte.

Sankt Augustin, 13. April 2004 / Rolf Halfmann


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